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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Charakter nicht verborgen geblieben sein.
    »Dominique war Ihre Wahl«, diagnostizierte Marie kühl und hob gleichgültig die Schultern.
    »Ich glaube, man sagt: Ehen werden im Himmel geschlossen und auf Erden geführt. Aber das stimmt nicht immer. Meine Ehe wurde bereits auf der Erde geschlossen. Dominique und ich waren uns sehr ähnlich. Aber jeder entwickelt sich weiter.«
    Er lügt, dachte Marie. Das Gespräch drohte an einer unwichtigen Stelle zu versacken.
    »Also haben Sie sich in Antje verliebt«, schloss Marie knapp. Sie gab sich abweisend. Sie musste ein bisschen wie Dominique sein. Marie erkannte das schicksalhafte Herrschaftsgeflecht zwischen Pierre und Dominique einerseits und Pierre und Franziska andererseits. Jetzt, wo Franziska und Dominique tot waren, vollzog es sich zwischen Pierre und Antje.
    Er lächelte seltsam verzückt, ruhte still in einer Gelassenheit, die in scharfem Kontrast zu dem stand, dessen er sich schuldig gemacht hatte. Pierre Brossard, der Dominique tatsächlich ähnlich war, hatte sich etwas seiner Kälte entledigt, war einerseits Mensch geworden – und war andererseits menschenverachtend und berechnend geblieben, hatte diese dunkle Seite sogar noch weiter entwickelt.
    »Nennen Sie es, wie Sie wollen«, erklärte er sich, »eine jede Ehe muss auf mehr bauen als das, was Sie Liebe nennen. Nur Liebe ist naiv und dumm. Was soll die Liebe denn sein?«
    »Auf jeden Fall lebt sie von der Nähe«, sagte Marie.
    »Nähe«, wiederholte er. »Sicher, so etwas muss es sein. Aber das sind alles große Worte. Menschen verändern sich. Wo heute Nähe ist, kann morgen Ferne sein. Es grenzt an ein Wunder, wenn sich zwei Menschen parallel entwickeln und sie ein Leben lang einander nah bleiben. Es sind Kategorien, die auf Dauer keinen Bestand haben. Ich glaube nicht daran. Es gibt allenfalls Momentaufnahmen – und mit viel Glück rettet sich dieser Moment dann in die Zukunft. Mir scheint, Sie sind für diese Erkenntnis noch etwas jung. Von mir aus lassen Sie es uns Liebe nennen. Ich streite nicht über Definitionen.«
    Er blickte milde lächelnd auf Marie, schien ihr Alter zu schätzen und taxierte sie. Er behandelte Marie genauso abfällig, wie es Dominique getan hatte, betrachtete sie ebenfalls als Kindchen, ohne dieses Wort auszusprechen.
    »Ylberi hat zutreffend erkannt, dass die Affäre mit Franziska nur Mittel zum Zweck war, nämlich das Vehikel, um Franziska in Folge eines provozierten Streits zu töten und diesen Tod als Auslöser für einen vermeintlichen Selbstmord als Täter zu nutzen«, sagte Marie. »Ylberis Irrtum war, dass er davon ausging, dass es Dominiques Plan war, Sie zu töten, und damit eine Ehe zu beenden, die zu scheiden teuer gewesen wäre. Doch die Wirklichkeit war eine andere: Sie wollten Dominique töten – und haben Franziska als ahnungslose Statistin in Ihr Spiel eingebaut. Ylberi muss also nur noch einen Schritt weiter denken«, folgerte Marie und skizzierte wirksam das Pierre drohende Unheil.
    »Sie müssen das verhindern!«, wiederholte Pierre. Er war wieder ernst geworden. Sein Gesicht war eingefallen.
    »Wann fassten Sie diesen teuflischen Plan?«, fragte Marie geschäftsmäßig.
    Pierre schaute leer an die Zimmerdecke. Wann fasst man den Plan zu einem Verbrechen? Es gab keinen Zeitpunkt, den er hätte benennen können. Es war das Ergebnis eines langen Prozesses, der mit der Erkenntnis begonnen hatte, dass er sich von Dominique trennen und mit Antje leben wollte. Und er wollte Dominiques Vermögen. Natürlich wollte er es. Antje wollte es auch. Sie machten sich Hoffnungen, Dominiques Büro fortführen zu können. Antje hatte über viele Jahre von Dominique gelernt und unter ihr gelitten. Von den vielen jungen Architektinnen und Architekten, die Dominique im Laufe der Zeit verschlissen hatte, hielt Antje am längsten aus. Sie hatte die Fertigkeiten von Dominique studiert und analysiert, das Geheimnis ihres Erfolges ergründet und längst begriffen, dass neben Dominiques unbestreitbaren fachlichen Fähigkeiten gerade ihre Brutalität, Herrschsucht und in Egoismus mündende Extravaganz ihre Einmaligkeit begründeten, die – perfide genug – ihren guten Ruf prägten. Das Teuflische strahlte von ihr aus und führte sie zum Erfolg. Antje lernte in Dominiques Schatten. Sie saugte ihre Herrin aus, die selbstverliebt dieses nicht bemerkte und sich sogar sicher wähnte, ihre scheinbar fügsame Schülerin an kurzer Leine führen zu können. Antje und Pierre verbanden

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