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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sonnenverbrannt und zu rot von einem verschlungenen Geflecht geplatzter Kapillaren.
    »Wie weit sind Sie marschiert?«, fragte Billy.
    »Nur von der Kreuzung aus. Bis dahin bin ich getrampt.«
    Offenbar sah Billy skeptisch drein, denn Cottle fügte hinzu:
    »Hier in der Gegend kennen mich ’ne Menge Leute. Sie wissen, dass ich harmlos bin. Gut, ich bin ungepflegt, aber schmutzig bin ich nicht.«
    Tatsächlich sah sein blondes Haar zwar ungekämmt, aber sauber aus. Auch rasiert hatte er sich. Sein ledriges Gesicht war sicher zäh genug, um selbst die Rasur durch eine derart zittrige Hand unbeschadet zu überstehen.
    Sein Alter war schwer zu bestimmen. Er mochte vierzig oder sechzig Jahre auf dem Buckel haben, dreißig oder siebzig hingegen nicht.
    »Er ist ein sehr, sehr schlechter Mensch, Mr. Wiles.«
    »Wer?«
    »Der Mann, der mich geschickt hat.«
    »Sie sind sein Kompagnon.«
    »Das bin ich nicht!«
    »Er hat Sie als Kompagnon bezeichnet.«
    »Sehe ich vielleicht so aus?«
    »Wie heißt er?«
    »Das weiß ich nicht. Ich will es auch nicht wissen.«
    »Wie sieht er aus?«
    »Ich hab sein Gesicht nicht gesehen. Hoffentlich bleibt es dabei.«
    »Eine Skimaske?«, riet Billy.
    »Ja, Sir. Mit Schlitzen, aus denen Augen schauen, kalt wie die von Schlangen.« Cottles Stimme zitterte im Einklang mit seinen Händen. Er führte die Flasche an den Mund.
    »Welche Farbe hatten seine Augen?«, fragte Billy.
    »Ich hab erst gedacht, die schauen gelb wie Eidotter aus, aber das lag nur am Lampenlicht.«
    Billy fiel die Begegnung auf dem Kirchenparkplatz ein. »Als ich ihn gesehen habe, war zu wenig Licht, um die Augenfarbe zu erkennen«, sagte er. »Da war nur ein heißes Leuchten.«
    »Ich bin kein wirklich schlechter Mensch, Mr. Wiles. Nicht wie er. Bloß schwach bin ich.«
    »Wieso sind sie hierhergekommen?«
    »Zum einen wegen dem Geld. Er hat mir einhundertvierzig Dollar gezahlt, alles in Zehndollarscheinen.«
    »Einhundertvierzig? Haben Sie ihn etwa von hundert Dollar hochgehandelt?«
    »Nein, Sir. Das ist genau die Summe, die er mir geboten hat. Er hat gesagt, es sind zehn Dollar für jedes Jahr Ihrer Unschuld, Mr. Wiles.«
    Schweigend starrte Billy ihn an.
    Früher waren Ralph Cottles Augen wohl einmal leuchtend blau gewesen. Vielleicht hatte der viele Alkohol sie au s gebleicht, denn es waren Augen mit dem blassesten Blau, das Billy je gesehen hatte. So schimmerte der Himmel in sehr großer Höhe, wo es nicht mehr genügend Luft gab, um intensive Farben zu erzeugen, und wo die Leere dahinter kaum mehr verborgen war.
    Nach wenigen Sekunden brach Cottle den Blickkontakt ab und schaute hinaus auf den Rasen, die Bäume, die Straße.
    »Wissen Sie, was das bedeutet?«, fragte Billy. »Die vierzehn Jahre meiner Unschuld?«
    »Nein, Sir. Es geht mich auch nichts an. Er wollte nur, dass ich Ihnen das sage.«
    »Sie haben gesagt, ein Grund für Ihr Hiersein wäre Geld. Was ist der andere Grund?«
    »Er hätte mich umgebracht, wenn ich nicht zu Ihnen gegangen wäre.«
    »Das hat er Ihnen angedroht?«
    »Er macht keine Drohungen, Mr. Wiles.«
    »Das hört sich aber ganz wie eine an.«
    »Er sagt nur, wie es ist, und man weiß sofort, dass es wahr ist. Entweder ich gehe zu Ihnen oder ich muss sterben – und zwar nicht so ohne weiteres, sondern auf ganz schlimme Weise.«
    »Wissen Sie, was er getan hat?«, fragte Billy.
    »Nein, Sir. Sagen Sie’s mir bloß nicht!«
    »Jetzt gibt es zwei Leute, die wissen, dass er tatsächlich exi s tiert. Wir können unsere Geschichten gegenseitig untermauern.«
    »So was will ich überhaupt nicht hören.«
    »Ist Ihnen denn nicht klar, dass er einen Fehler gemacht hat?«
    »Ich wünschte, ich könnte dieser Fehler sein«, sagte Cottle, »aber das bin ich nicht. Sie halten offenbar zu viel von mir. Das sollten Sie nicht tun.«
    »Aber er muss aufgehalten werden«, sagte Billy.
    »Nicht von mir. Ich spiele für niemand den Helden. Sagen Sie mir bloß nicht, was er getan hat. Wagen Sie das nicht!«
    »Wieso soll ich es Ihnen denn nicht sagen?«
    »Weil das Ihre Welt ist, nicht meine.«
    »Es gibt doch nur eine einzige Welt.«
    »Nein, Sir. Es gibt Milliarden. Meine ist anders als Ihre, und dabei wird es bleiben.«
    »Wir sitzen hier auf derselben Veranda.«
    »Nein, Sir. Es sieht aus wie eine einzige Veranda, aber in Wirklichkeit sind es zwei. Sie wissen, dass das wahr ist. Das sehe ich Ihnen an.«
    »Was sehen Sie mir an?«
    »Dass Sie auf bestimmte Weise ein wenig so sind wie ich.«
    Billy

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