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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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dachte Billy, die beiden wüssten etwas von dem Irren, doch dann begriff er. Voll und ganz.
    Die Frage von Sergeant Napolitino war so gestellt, dass dessen Vorgehensweise vor Gericht nicht in Zweifel gezogen werden konnte. Von diesem Ballast befreit, lautete sie so: Mr. Wiles, halten Sie jemanden in Ihrem Haus gefangen, eine Frau zum Beispiel, und hat die es geschafft, sich lange genug Ihrer Beobachtung zu entziehen, um den Notruf zu wählen, worauf Sie ihr das Telefon aus der Hand gerissen und aufgelegt haben, in der Hoffnung, dass noch keine Verbindung hergestellt worden war?
    Um seine Frage so unverblümt zu stellen, hätte Napolitino Billy zuerst auf sein verfassungsmäßiges Recht hinweisen müssen, zu schweigen und nur in Anwesenheit seines Anwalts befragt zu werden.
    Billy Wiles war zum Verdächtigen geworden.
    Sie standen am Rand einer Klippe. Vor ihren Füßen ging es steil runter.
    Noch nie hatte Billys Gehirn alle Möglichkeiten und Folgen einer Situation so fieberhaft kalkuliert, weil es wusste, dass jede Sekunde des Zögerns ihn noch verdächtiger machte.
    Glücklicherweise musste er eine verblüffte Miene gar nicht erst vortäuschen. Der Unterkiefer hing ihm auch so schon herab.
    Da Billy nicht auf seine Fähigkeit vertraute, überzeugend Zorn oder auch nur Ärger vorzutäuschen, machte er sich stattdessen seine echte Verblüffung zunutze: »Du lieber Him mel, Sie glauben doch nicht etwa …? Doch, Sie glauben tatsächlich, dass ich … meine Güte! Also, ich hätte mir wirklich nie vorstellen können, dass man ausgerechnet mich mal für jemanden wie Hannibal Lecter hält.«
    Napolitino sagte nichts.
    Sobieski ebenso wenig.
    Ihre Augen waren so ruhig wie die Achse eines kreiselnden Gyroskops.
    »Natürlich müssen Sie alle Möglichkeiten in Betracht ziehen«, fuhr Billy fort. »Das verstehe ich. Ehrlich. Ist schon in Ordnung. Gehen Sie rein, wenn Sie wollen. Schauen Sie sich um!«
    »Mr. Wiles, fordern Sie uns auf, Ihr Haus nach einem Ei n dringling zu durchsuchen?«
    Billys Fingerspitzen betasteten die Patronen in seinen Hose n taschen, während er sich vorstellte, wie die Leiche Cottles unter dem Schreibtisch steckte.
    »Suchen Sie nach allem, was Sie wollen«, sagte er leutselig, als wäre er erleichtert, weil er endlich begriffen hatte, was man von ihm verlangte. »Nur zu!«
    »Mr. Wiles, ich frage Sie nicht, ob ich Ihr Haus durchsuchen darf. Ist Ihnen das bewusst?«
    »Klar. Weiß schon. Ist in Ordnung. Bitte sehr!«
    Wenn Billy den Beamten einlud, das Haus zu betreten, dann konnten alle vorgefundenen Beweismittel vor Gericht verwendet werden. Betrat er das Haus jedoch unaufgefordert, ohne einen Durchsuchungsbefehl oder einen ausreichenden Grund für den Verdacht zu haben, dass dort jemand in Gefahr war, würde das Gericht dieselben Beweismittel für ungültig erklären.
    Deshalb interpretierten die beiden Polizisten Billys freudig gegebene Erlaubnis bestimmt als schlagenden Beweis für seine Unschuld.
    Wenn er sich offen, entspannt und ausreichend kooperativ zeigte, kamen sie womöglich zu dem Schluss, dass er nichts zu verbergen hatte, und fuhren ab, ohne sich die Mühe zu machen, sein Haus zu durchsuchen.
    Napolitino warf Sobieski einen kurzen Blick zu, und dieser nickte.
    »Nun, Mr. Wiles, da es offenbar Ihr Wunsch ist, dass ich mich kurz in Ihrem Haus umschaue, werde ich das gerne tun.«
    Sergeant Napolitino ging um den Streifenwagen herum und auf die Verandatreppe zu. Billy blieb in der Obhut von Sobieski.
     

30

    Schuld, hatte jemand bemerkt, vielleicht Shakespeare, vie l leicht auch O. J. Simpson, sei so von Furcht erfüllt, dass sie sich selbst enthülle. Billy erinnerte sich nicht mehr, wer diesen Gedanken so gut in Worte gefasst hatte, doch er erkannte die Wahrheit darin und war sich ihrer im Auge n blick äußerst bewusst.
    Am Haus angelangt, stieg Sergeant Napolitino die Treppe hoch und ging über die Veranda. Dabei trat er über die Flasche und den Rest Whiskey, der noch nicht verdunstet war.
    »Zu humorlos«, sagte Sobieski.
    »Wie bitte?«
    »Vince. Er tritt zu kühl auf. Dieser ausdruckslose Blick, dieses steinerne Gesicht. Dabei ist er gar nicht der Betonkopf, für den man ihn am Anfang hält.«
    Indem er den Vornamen von Napolitino verriet, wurde S o bieski scheinbar vertraulich.
    Billy, der inzwischen äußerst sensibel nach jeder Täuschung und Manipulation Ausschau hielt, hatte allerdings den Verdacht, dass der Sergeant ihm genauso wenig die Freundschaft anbot wie eine

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