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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Tage überhaupt mit nützlichen Dingen verbrachte – sich um den Garten kümmerte, das schöne Haus in seinem makell o sen Zustand erhielt, kochte – und das Nichtstun um jeden Preis mied.
    »Auch lachen hat sie nie jemand gehört, aber wie man das tut, wusste sie durchaus. Sie hatte ein wunderschönes, ansteckendes Lachen. Weinen hab ich sie erst gehört, als ich acht Jahre alt war.«
    Billy fühlte sich von Ivys geradezu zwanghafter Geschäfti g keit an sein eigenes Verhalten erinnert und konnte ihr Bedürfnis deshalb gut nachvollziehen. Ganz abgesehen von der Frage, ob er ihr trauen konnte oder nicht, mochte er sie.
    »Als ich ganz klein war«, fuhr sie fort, »hab ich nicht recht begriffen, was es hieß, dass meine Mutter bei der Geburt gestorben war. Ich dachte, ich hätte sie irgendwie umgebracht und wäre für ihren Tod verantwortlich.«
    Der Rabe im Fenster breitete wieder die Flügel aus, genauso lautlos wie vorher.
    »Ich war acht, als mir klar wurde, dass ich keine Schuld trug«, sagte Ivy. »Als ich das meiner Großmutter in Zeichensprache vermittelt habe, da sah ich sie zum ersten Mal weinen. Es klingt vielleicht komisch, aber ich hatte gedacht, sie würde sozusagen stumm weinen, nur mit Tränen und Gebärden, aber ihr Schluc h zen war genauso normal wie ihr Lachen. Was diese beiden Dinge anging, war sie nicht anders als Leute, die hören und sprechen können; sie gehörte voll und ganz zu ihnen.«
    Billy hatte gedacht, Ivy würde die Männer mit ihrer Schönheit und Erotik faszinieren, aber ihr Zauber hatte einen tieferen Ursprung.
    Erst als er sich sprechen hörte, wusste er, was er ihr gestehen wollte: »Als ich vierzehn war, habe ich meine Mutter und meinen Vater erschossen.«
    Ohne aufzublicken, sagte sie: »Ich weiß.«
    »Das weißt du schon?«
    »Ja. Hast du je daran gedacht, dass einer von ihnen vielleicht durch die Wand hindurch mit dir sprechen möchte?«
    »Nein, das hab ich nie getan. Und ich hoffe, dass sie es nie tun werden.«
    Sie schälte weiter, er beobachtete sie, und nach einer Weile sagte sie: »Du musst gehen.«
    Ihr Tonfall drückte aus, er könne bleiben, doch es sei ihr klar, dass er gehen müsse.
    »Ja«, sagte er und stand auf.
    »Du steckst in der Klemme, stimmt’s, Billy?«
    »Nein.«
    »Das ist gelogen.«
    »Ja.«
    »Und mehr wirst du mir nicht sagen.«
    Er schwieg.
    »Du bist hierhergekommen, weil du etwas gesucht hast. Hast du es gefunden?«
    »Ich weiß nicht recht.«
    »Manchmal«, sage sie, »lauscht man so angestrengt auf ganz leise Geräusche, dass man die lauteren gar nicht hört.«
    Darüber dachte er einen Augenblick nach, dann sagte er:
    »Bringst du mich zur Haustür?«
    »Jetzt kennst du doch den Weg.«
    »Du solltest hinter mir abschließen.«
    »Das Schloss schnappt ein, wenn man die Tür zumacht.«
    »Das reicht nicht. Bevor es dunkel wird, solltest du absperren. Und mach die Fenster zu!«
    »Ich habe vor nichts Angst«, sagte sie. »Hab noch nie Angst gehabt.«
    »Ich schon.«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Seit zwanzig Jahren.«
    Auf dem Weg hinaus machte Billy auf dem Holzboden wen i ger Geräusch als vorher. Er zog die Haustür zu, überprüfte, ob das Schloss eingeschnappt war, und folgte dem von Blumen überwölbten Weg zur Straße. Zurück blieb Ivy Elgin mit ihrem Tee und ihren Pistazien, bewacht von ihrem Raben, in der Stille einer Küche, deren Uhr keine Zeiger hatte.
     

44

    Steve Zillis wohnte zur Miete in einem einstöckigen, archite k tonisch nicht weiter auffälligen Haus in einer Straße, in der die gemeinsame Philosophie der Nachbarn offenbar darauf hinau s lief, sich nicht großartig um den Zustand ihres Eigentums zu kümmern.
    Das einzige gepflegte Haus stand direkt neben dem von Zillis, in nördlicher Richtung. Es gehörte Celia Reynolds, der Bekan n ten von Jackie O’Hara, die angeblich beobachtet hatte, wie Zillis in seinem Garten wütend Stühle, Wassermelonen und Scha u fensterpuppen zerhackte.
    Zillis’ Garage stand auf der anderen Seite seines Hauses, sodass Celia Reynolds sie nicht im Blick hatte. Da Billy auf der Fahrt häufig in den Rückspiegel geschaut hatte, ohne einen Verfolger zu sehen, parkte er dreist in der Einfahrt.
    Am Südrand des Grundstücks erhob sich eine Wand aus über zwanzig Meter hohen, nicht gestutzten Eukalyptusbäumen, die den dortigen Nachbarn den Durchblick verwehrte.
    Als Billy aus dem Wagen stieg, bestand seine Verkleidung lediglich aus einer blauen Baseballmütze. Die hatte er tief in die Stirn

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