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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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europäischen Sprachen und einer ganzen Welle davon inspirierter orientalischer Romane. Knapp 200 Jahre später schrieb der österreichische Dichter Hugo von Hofmannsthal in der Einleitung zu einer Ausgabe von Tausendundeine Nacht : »Hier ist Buntheit und Tiefsinn, Überschwang der Phantasie und schneidende Weltweisheit; hier sind unendliche Begebenheiten, Träume, Weisheitsreden, Schwänke, Unanständigkeiten, Mysterien; hier ist die kühnste Geistigkeit und die vollkommenste Sinnlichkeit in eins verwoben.«
    Eine ganze Welt also eröffnen die Erzählungen, aber eben eine märchenhafte. Kalif Harun ar-Rashid taucht in gleich mehreren Märchen der Sammlung auf und gewann mit ihnen eine solche Popularität, dass er in Kunst und Literatur seit dem 18. Jahrhundert zur festen Größe wurde. Er gilt in der westlichen Welt bis heute als gerechter Herrscher, großzügig und gewitzt – und natürlich bei prachtvoller Hofhaltung all den Glanz und die Exotik verkörpernd, die das Orientbild verlangt. Berühmt sind seine angeblichen Inkognito-Gänge durch Bagdad, von denen er sich bei »beklommener Brust« Abhilfe versprach. Auf denen spürte er, als Kaufmann verkleidet, neugierig, aber fürsorglich seinem Volk hinterher, stellte die eigene Bodenständigkeit unter Beweis und ließ sich schon mal von Kinderweisheit zum Nachdenken und Handeln anregen. Eine Anekdote weiß zu berichten, der Kalif habe, als man ihm ein überaus kostbares Gericht nur aus Fischzungen (in ihrer Masse hübsch zur Fischform angerichtet) servierte, eine gleichwertige Summe Geldes an die Armen verteilen lassen. Ein Salomon unter den Feinschmeckern also, aber vor allem eben ein Ausbund an Gerechtigkeitssinn, Weisheit und Tugend.
    Zur Zeit Karls des Großen, um das Jahr 800, war Harun ar-Rashid, Kalif von Bagdad, der mächtigste Herrscher der arabischen Welt. Kaiser und Kalif hatten Berührungspunkte, weil beide eine religiös fundierte Reichsidee verkörperten. Während die römische Kirche dabei auf antike Strukturen zurückgreifen konnte, sprengte der islamische Expansionsdrang alles Bisherige: Von der Arabischen Halbinsel bis zum Schwarzen und Kaspischen Meer im Norden, bis zum Indus im Osten, über Ägypten und Nordafrika nach Spanien verlief der Siegeszug der islamischen Eroberer. In der Schlacht bei Tours und Poitiers 732 stießen die beiden Reiche und Weltreligionen schließlich aufeinander, als das Frankenreich dem islamischen Eroberungsdrang zumindest in Europa eine Grenze setzte. Im Unterschied zum Christentum legte der Islam zwar keinen umfassenden Missionseifer, aber dafür einen ausgeprägten Machtdrang an den Tag. Zur persönlichen Begegnung Haruns mit seinem Herrscherkollegen Karl kam es nie, wohl aber zum Austausch von Gesandten, die Berichten zufolge im Jahr 802 dem Kaiser neben einer Masse weiterer kostbarer Präsente ein besonders sensationelles Geschenk überbrachten: einen weißen Elefanten namens Abul Abbas, der erste seiner Spezies, der nördlich der Alpen auftauchte.
    Harun war der fünfte Kalif in der Reihe der Abbasidenherrscher und regierte in Bagdad von 786 bis 809. Schon sein Weg an die Macht entspricht nicht gerade dem Bild des Märchens: Zunächst ließ der 22-Jährige seinem Bruder den Vortritt, übernahm aber schon bald die Herrschaft des Reiches, als der Bruder aus ungeklärten Gründen früh verstarb – Harun wurde mit dem plötzlichen Tod in Verbindung gebracht, seine Mutter verdächtigt, für ihren Sohn Gift zur Anwendung gebracht zu haben. Die Abbasiden, die sich auf ihre Abstammung von einem Onkel des Propheten Mohammed berufen konnten, waren Mitte des 8. Jahrhunderts aus innerarabischen Machtkämpfen siegreich hervorgegangen und lösten die ein Jahrhundert währende Herrschaft der Omaijaden ab. Sie schufen die Grundlagen für eine islamische Staatlichkeit, mit Verwaltungs- und Steuerrecht sowie einem Justizsystem mit Kadis in allen größeren Städten. Zunehmend entrückt und beim Gewähren von Audienzen hinter einem Vorhang verborgen, ließen die Kalifen das Land von Wesiren regieren. Unter Harun am zunächst einflussreichsten war die afghanischstämmige Adelsfamilie der Barmakiden, denen er viel verdankte. Und doch entledigte sich Harun ihrer Dienste im Jahr 803 mit brutaler Härte, selbst seine eigenen Lehrer und engste Vertraute kamen dabei zu Tode.
    Die Herrschaft über das Abbasidenkalifat übernahm Harun zu dessen Glanzzeit, als es von Marokko bis nach Indien reichte. Seine Hauptstadt Bagdad, 762

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