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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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auf einen Nullpunkt: den Tag der Schöpfung, darin dem jüdischen Kalender ähnlich. In unseren gregorianischen Kalender umgerechnet wurde die jetzige, nach der Schöpfungsgeschichte der Maya dritte Welt im Jahr 3114 v. Chr. erschaffen. Von da ab wird Tag für Tag gezählt und entsprechend dem Vigesimalsystem der Maya notiert. Für eine vollständige Tagesbezeichnung treten also zu den Angaben aus Tzolk’in und Haab die Angaben der Langzeitchronologie. Nach überwiegend anerkannter Umrechnung dieser sogenannten »Langen Zählung« ist Chopin am Tag 12. 11. 14.8.0 gestorben.
    Diese Zahl bezeichnet entsprechend der Maya-Mathematik und ihrer Schreibweise die Tage, die seit der Erschaffung der Welt vergangen sind: 2013200 Tage. Mit der Grundzahl 20 wird dieses ansehnliche Stückchen Zeit in handliche Zwanziger-Päckchen unterteilt, deren Umfang von rechts nach links in Zwanzigerpotenzen aufsteigt. Allein die dritte Position umfasst statt 400 nur 360 Tage, wohl weil das näher an der Länge des Sonnenjahrs liegt. Jedes dieser Zeitpäckchen hat einen Namen: Zwanzig Tage ( k’in ) sind ein winal , achtzehn winal sind ein tun , zwanzig tun ein k’atun , zwanzig k’atun ein baktun . Nach der vollständigen Schreibweise des Maya-Kalenders starb Chopin also am Tag 12. 11. 14.8.0 9 Ahau 18 Mol.
    Mit dieser Langzeitchronologie konnten die Gottkönige der Maya-Stadtstaaten ihre Geschichte zeitlich verorten, was angesichts des heiligen Charakters der Zeit propagandistisch ungeheuer wertvoll und für eine Geschichtsschreibung unabdingbar war. Ihre eigenen Verdienste und die ihrer Dynastie ließen sich so mit möglichst reichhaltigen kalendarischen Bezügen ideologisch aufwerten – also diente der Kalender auch als Mittel, um Macht zu legitimieren und zu erhalten. Folglich wurde der Kalender umfassend genutzt, wovon unzählige Inschriften in Tempeln und auf Steinstelen reiches Zeugnis ablegen. Und mancher kriegerische König, der eine andere Stadt bezwang, stellte seinen Triumph über den Gegner unter Beweis, indem er dessen Inschriften, die über den Tempelbezirk verstreut die Geschichte der Stadt dokumentierten, unleserlich machte. Durchaus ähnlich war auch in anderen Kulturen die Auslöschung der Geschichte des unterlegenen Gegners ein probates Mittel der Machtdemonstration und Demütigung.
    Ein weiterer Grund für die Entwicklung eines so komplexen und leistungsfähigen Kalenders war der hohe Stellenwert der Astronomie. Ganz ohne Fernrohr und Computer, in generationenlanger nächtlicher Beobachtung, die genauestens in Listen festgehalten wurde und der Vorausberechnung diente, trieben die Sternengucker der Maya staunenswerten Aufwand, um die Gestirne in ihrem Lauf zu verfolgen. Das war notwendig, weil die Sterne als Gottheiten angesehen wurden und einige davon so bedeutsam waren, dass man stets wissen wollte, zu welchem Zeitpunkt sie sich in welcher Position am Firmament befanden. Denn über die Geschehnisse auf Erden entschieden die Götter. Dazu zählte neben Sonne und Mond vor allem die Venus, die als Kriegsgott verehrt wurde. Für die Erfolgsaussichten eines Feldzuges war ihre Position am Himmel außerordentlich bedeutsam. Und zudem wurden wichtige Zeitangaben aufgewertet, je mehr Zusatzinformationen dazukamen: die Mondphase etwa oder eben die Position der Venus, aber auch der Bezug zu einem anderen bedeutsamen Datum. Um ein Datum zu propagandistischen Zwecken aufzuwerten, wurde gelegentlich sogar der Kalender gefälscht – auch darin stellen die Maya keinen Sonderfall der Geschichte dar. Dabei besaßen die Astronomen sehr genaue Kenntnis, das belegen die Tabellen beispielsweise im Dresdner Kodex, eine der wenigen Maya-Handschriften, die den Zerstörungsfuror spanischer Missionare überlebt haben. Auf Jahrhunderte im Voraus konnten Sternenpositionen vorausbestimmt werden.
    Die Unterteilung der Zeit in Zwanzigerabschnitte bot außerdem die Möglichkeit, ihre Vollendung feierlich zu begehen, so wie wir Jahres- und Jahrhundertwechsel ebenfalls würdigen. Vor allem zwei Zyklen kamen dafür in Frage: Alle knapp 20 Jahre endete der Zyklus eines Katun, alle fast 400 Jahre der eines Baktun. Die selteneren Baktun-Enden wurden natürlich auch entsprechend groß gefeiert, wenngleich die häufigeren Katun-Enden mit größerer Wahrscheinlichkeit in ein Menschenleben fielen. Und da besonders bedeutsame, weil symbolisch aufgeladene Zahlen auch besonders gewürdigt wurden, wäre die Vollendung des 13. Baktun mit dem

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