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Irrweg Grundeinkommen

Irrweg Grundeinkommen

Titel: Irrweg Grundeinkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Meinhardt und Dieter Vesper Friederike Spiecker Heiner Flassbeck
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auf technischen Monopolen oder Kartellen (wie im Fall von Strom- oder Schienennetzen), auf regionaler Konzentration (ein Großunternehmen in einer ansonsten strukturschwachen Gegend), aber vor allem auch auf konjunkturellen Schieflagen beruhen kann. Gibt es keinen automatischen Mechanismus, der in einer Marktwirtschaft Vollbeschäftigung herstellt, müssen den Ausbeutungsmöglichkeiten durch Marktmacht bei hoher Arbeitslosigkeit klare Grenzen gesetzt werden. Die Marktwirtschaft ist nur funktionsfähig, wenn man Spielregeln festlegt, die dem in die falsche Richtung führenden Machtmechanismus im Markt eine Untergrenze bei den Löhnen setzen. Die Durchsetzung dieser Untergrenze sollte und kann bei den Primäreinkommen ansetzen.
    Die simple Vorstellung »Jeder ist seines Glückes Schmied« und die daraus abgeleitete Devise »Jeder, der will, findet eine Arbeit, er muss seine Arbeitskraft nur preiswert genug anbieten« 30 sind nicht nur menschenverachtend, sondern sie missverstehen das System Marktwirtschaft grundsätzlich. Sie missverstehen, dass die Marktwirtschaft und der Arbeitsmarkt im besonderen nur funktionieren können, wenn es eine Machtbalance gibt, die verhindert, dass eine Seite über Jahre und Jahrzehnte das System zu ihren Gunsten ausnutzt. Zudem, die Marktwirtschaft ist kein Naturgesetz wie die Schwerkraft, mit dem man leben muss, ohne es verändern zu können. Sie ist eine Vereinbarung von gesellschaftlichen Spielregeln, die das Leben für alle Mitglieder der Gesellschaft gegenüber einem Zustand der Autarkie verbessern sollen. Zumindest gilt dieser Anspruch in einer Demokratie. Mag in einer Diktatur durchsetzbar sein, dass ein Teil der Gesellschaft in Saus und Braus lebt, während sich ein anderer an der Grenze zum Existenzminimum bewegt, ist das in einer Demokratie eine aufDauer unhaltbare Konstellation. Die Behauptung, das System Marktwirtschaft bringe das nun einmal im Zeitalter der Globalisierung so mit sich, übersieht, dass gesellschaftliche Spielregeln nicht in Stein gemeißelt, sondern sehr wohl veränderbar sind.
    Arbeitslose und geringqualifizierte Beschäftigte gegeneinander auszuspielen, um ihren Lohn in Richtung Existenzminimum zu drücken, ist nicht nur ein zynisches Spiel mit der materiellen Not von Menschen, es zeugt auch von dem mangelnden Demokratieverständnis derjenigen, die diesen »Marktmechanismus« als gerecht und zielführend im Sinne von Beseitigung der Arbeitslosigkeit befürworten. Kann ein einzelner den Vorteil des arbeitsteiligen Wirtschaftssystems der demokratischen Gesellschaft, in der er lebt, für sich nicht mehr erkennen, sondern leidet er unter erpresserischen Auswüchsen dieses Systems, muss man sich nicht wundern, wenn er sich nicht mehr an die Gesellschaft und ihre Spielregeln gebunden fühlt. Je mehr Menschen vor diesem Problem stehen, desto größer ist die Gefahr, dass sie nicht nur gegen das Wirtschaftssystem, sondern gegen die gesamte Gesellschaftsordnung rebellieren – und zwar zu Recht. Schließlich haben sie in einer Demokratie das gleiche Stimmrecht wie alle anderen. Dass das zu schweren politischen Verwerfungen und demokratiegefährdenden Konstellationen in der Regierung eines Landes führen kann, hat Deutschland im vergangenen Jahrhundert auf katastrophale Weise unter Beweis gestellt.
    Selbstverständlich kann für eine Arbeitsleistung kein von der Knappheit völlig losgelöster Lohn gezahlt werden: Ist eine Arbeitskraft dank ihrer Qualifikation und Fähigkeiten im Vergleich zur Nachfrage nach diesem Können knapp, kann sie eine höhere Entlohnung durchsetzen, bekommt also einen größeren Anteil vom Gesamtergebnis. Und selbstverständlich hat die Knappheit der Arbeitsleistung auch etwas mit dem Preis des Gutes zu tun, das unter anderem mit dieser Arbeitsleistung hergestellt wird (eine Eiskugel ist billiger als eine Nachhilfestunde in Mathematik). Und selbstverständlich sinkt die Nachfrage nach einem bestimmten Gut in der Regel, wenn sein Preis steigt. Doch diese einzelwirtschaftlichenÜberlegungen münden keineswegs in den Pauschalzusammenhang, ein Mindestlohn bedeute das Aus für all die Arbeitsplätze, die heute unterhalb dieser Marke entlohnt werden. Denn die geringe Bezahlung in vielen Jobs heute hat, wie gezeigt, nichts mit ihrer »wahren« Produktivität zu tun, die technisch oft gar nicht messbar ist und niemals in Geldeinheiten ausgedrückt werden kann, ohne die Marktsituation in Rechnung zu stellen, also den rein technischen Bereich zu

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