Irrwege
Marit die Einmischung
zurück. »Was versteht ein Wurm wie du von Ehre?« Sie wandte sich wieder an
Haplo. »Nun, willst du ihn nehmen?«
»Wirst du nicht bei Fürst Xar in Ungnade
fallen?« fragte er und betrachtete sie unverwandt mit derselben beunruhigenden
Eindringlichkeit.
Sie zwang sich, seinem Blick standzuhalten. »Das
ist meine Sache. Dich zu töten ist wider die Ehre. Jetzt nimm den verfluchten
Dolch!«
Haplo griff langsam danach. Er betrachtete ihn,
drehte ihn hin und her, als hätte er nie im Leben etwas dergleichen gesehen.
Es war nicht der Dolch, den er studierte. Sie war es. Ihre Motive.
Ja, was immer einst zwischen ihnen bestanden
hatte, es war vorbei.
Sie drehte sich um und wollte zu ihrem Platz
zurückgehen.
»Marit.«
Sie blickte über die Schulter.
Er hielt ihr den Dolch hin. »Hier. Du solltest
nicht unbewaffnet gehen.«
Marit biß die Zähne zusammen. Steif machte sie
einen Schritt auf ihn zu, riß den Dolch an sich und schob ihn in den
Stiefelschaft.
Haplo wollte noch etwas sagen, rasch kehrte sie
ihm den Rücken zu, damit sie es weder hören mußte, noch ihm antworten, als ein
Runenblitz sie alle zusammenzucken ließ. Die Tür aus Stein öffnete sich
scharrend.
Alfred kam herein, doch mit der Phalanx ihrer
Blicke konfrontiert, begann er hastig rückwärts zu gehen.
»Hund!« befahl Haplo.
Mit einem vergnügten Bellen stürzte das Tier
sich auf Alfred, schnappte nach seinen Rockschößen und zerrte ihn trotz seines
halbherzigen Sträubens ins Zimmer.
Die Tür schloß sich hinter ihm.
Alfred warf einen scheuen, unglücklichen Blick
auf jeden von ihnen, und dann – mit einem entschuldigenden Lächeln und einem
leichten Heben seiner schmalen Schultern – fiel er in Ohnmacht.
----
Kapitel 28
Verloren
Es dauerte einige Zeit, Alfred wieder zu sich zu
bringen, der partout nicht aufwachen wollte. Endlich hoben sich flatternd seine
Lider, und das erste, was er sah, war Hugh Mordhand, der über ihm aufragte.
»Hallo, Alfred«, sagte der Assassine grimmig.
Alfred wurde bleich und verdrehte die Augen.
Mordhand bückte sich und packte Alfred bei
seinem zerplieserten Spitzenjabot.
»Schluß mit dem Theater, oder ich drehe dir den
Hals um!«
»Nein, nein. Es geht mir – gut. Luft. Ich
brauche Luft.«
»Laß ihn aufstehen«, sagte Haplo.
Hugh Mordhand öffnete die Faust und trat zurück.
Alfred japste ein paarmal, dann raffte er sich mühsam auf. Er hielt den Blick
ängstlich auf Haplo gerichtet. »Ich bin sehr froh, dich zu sehen…«
»Auch froh, mich zu sehen, Alfred?« erkundigte
sich Hugh sarkastisch.
Alfred schlug die Augen nieder. »Ja, gewiß, Sir
Hugh. Überrascht…«
»Überrascht?« grollte Hugh. »Wieso überrascht?
Weil ich tot war, als du mich das letztemal gesehen hast?«
»Nun, ja, wahrhaftig. Wenn ich darüber
nachdenke, wart Ihr das. Tot.« Alfred lief rot an und geriet ins Stottern. »Es
hat offenbar eine – eine wunderbare Genesung…«
»Ich nehme nicht an, daß du etwas darüber weißt,
oder?«
»Ich?« Alfred hob den Blick bis zur Höhe von
Hughs Knien. »Leider nein. Ich war zu der Zeit recht beschäftigt. Lady Iridals
Sicherheit…«
»Wenn das so ist, wie erklärst du dir das?« Hugh
riß sich das Hemd auf. Die Sartanrune auf seiner Brust leuchtete schwach, wie
in freudigem Wiedererkennen. »Sieh hin, Alfred! Sieh dir das an, was du getan
hast!«
Alfred hob langsam, widerstrebend die Augen. Er
warf nur einen verstörten Blick auf die Rune, ächzte und schlug die Hände vors
Gesicht. Der Hund winselte, kam angetrottet und legte ihm mitfühlend die Pfote
auf den übergroßen Fuß.
Hugh Mordhand schaute finster zu, plötzlich
packte er Alfred und schüttelte ihn. »Sieh mich an, verdammt! Wo immer ich
gewesen sein mag, ich war erlöst. Hatte meinen Frieden. Dann hast du mich
zurückgeholt. Nun kann ich nicht leben und kann nicht sterben. Mach ein Ende!
Laß mich dorthin zurückkehren!«
Alfred hing wie eine zerbrochene Marionette in
Hughs Griff. Der Hund, zwischen beiden eingeklemmt, schaute verwirrt von einem
zum anderen. Wen angreifen? Wen beschützen?
»Ich wußte nicht, was ich tat!« Es sprudelte aus
Alfred heraus, so schnell, daß man ihn kaum verstehen konnte. »Ich wußte es
nicht. Ihr müßt mir glauben. Ich kann mich nicht erinnern…«
»Du – kannst – dich – nicht – erinnern!« Bei
jedem Wort stieß Hugh den Bedauernswerten zurück und riß ihn wieder zu sich
heran, bis Alfred
Weitere Kostenlose Bücher