Irrwege
die Knie schlotterten.
Haplo rettete den Hund davor, zerquetscht zu
werden, und rettete dann auch Alfred.
»Laß ihn in Ruhe«, meinte er zu Hugh. »Er sagt
die Wahrheit, so unglaublich das klingen mag. Die halbe Zeit weiß er nicht, was
er tut. Wie zum Beispiel, daß er sich in einen Drachen verwandelt, um mir die
Haut zu retten. Komm schon, Hugh, gib ihn frei. Er ist unser Weg nach draußen.
Wenigstens hoffe ich das. Und falls wir hier auf ewig festsitzen, sind all die
alten Rechnungen, die wir mit uns herumschleppen, völlig belanglos.«
»Ihn freigeben!« Dem Assassinen schnürte die Wut
den Hals zu. Er stieß den Sartan zu Boden. »Und wer gibt mich frei?«
Er fuhr auf dem Absatz herum, ging zur Tür, riß
sie auf und marschierte hinaus. Marit stellte interessiert fest, daß die
Sartanmagie nichts unternahm, um den Nichtigen aufzuhalten. Sie dachte daran,
ihm zu folgen, nur um aus diesem Raum zu entkommen, verwarf den Gedanken aber
sofort wieder. Ihr Fürst hatte ihr befohlen zu bleiben.
»Hund, geh mit ihm!« befahl Haplo.
Das Tier trabte hinter Hugh Mordhand her. Haplo
kniete neben Alfred nieder. Marit nutzte die Gelegenheit, um unauffällig mit
dem Hintergrund zu verschmelzen, so weit es in diesem kahlen Zimmer möglich
war.
Alfred hockte zusammengekauert auf dem Boden,
ein armseliges Häufchen Elend. Marit betrachtete ihn voller Verachtung. Dieser
Sartan sah aus, als könne er nicht einmal einen Brotteig zum Leben erwecken,
geschweige denn die Toten. Hugh Mordhand mußte sich irren.
Der Sartan war ein Mann in mittleren Jahren,
kahl, bis auf einen schütteren Kranz langer, dünner Haare. Er hatte einen
schlaksigen, ungelenken Körper, riesige Hände und Füße – die zu allem Überfluß
zu glauben schienen, sie gehörten jemand anderem. Seine Kleidung war ziemlich
schäbig und bestand aus einem schlechtsitzenden Samtrock, samtenen Kniehosen
und einem Rüschenhemd mit ausgefranstem Spitzenjabot.
Er zog ein ebenfalls ausgefranstes
Spitzentaschentuch heraus und wischte sich über das Gesicht.
»Wie fühlst du dich?« fragte Haplo barsch, mit
einem Unterton widerwilliger Sorge.
Alfred blickte zu ihm auf. »Oh, recht gut,
vielen Dank. Er – es ist sein gutes Recht, zornig zu sein. Was ich tat – wenn ich es tat, und ich kann mich wirklich nicht daran erinnern –, war falsch.
Entsetzlich falsch. Weißt du noch, was ich auf Abarrach über Nekromantie gesagt
habe?« Das letzte Wort sprach er flüsternd aus.
»›Für jeden, der ins Leben zurückkehrt, ein
anderer, der vor der Zeit stirbt.‹ Ja, ich weiß. Aber gibt es einen Weg, ihm zu
helfen?«
Alfred zögerte einen Moment. Es sah aus, als
wollte er den Kopf schütteln, dann aber seufzte er und ließ die Schultern
sinken. »Ja, ich glaube, es gibt einen Weg.« Er schluckte. »Aber nicht hier.«
»Und wo?«
»Erinnerst du dich an die Kammer – auf Abarrach?
Das Sanktuarium?«
»Ja.« Haplo schien sich unbehaglich zu fühlen.
»Ich hatte vor, dorthin zurückzukehren. Mit Xar, um ihn von der Existenz einer
höheren Macht zu überzeugen.«
»Ach du liebe Güte!« sagte Alfred erschrocken.
»Ich glaube, das wäre keine kluge Idee. Du mußt wissen, ich habe
herausgefunden, was es mit der Kammer auf sich hat. Orla sagte es mir.«
»Sagte dir was?«
»Sie war überzeugt, daß wir das Siebente Tor entdeckt
hatten«, antwortete Alfred mit ehrfurchtsvoll gedämpfter Stimme.
Haplo zuckte mit den Schultern. »Ach ja? Und?«
Alfred schien über seine Reaktion erstaunt zu
sein, dann seufzte er. »Ich hätte mir denken können, daß du nichts davon weißt.
Siehst du, als die Sartan die Welt teilten…«
»Ja, ja«, fiel Haplo ihm ungeduldig ins Wort.
»Das Todestor. Das Letzte Tor. Ich habe so viele Tore hinter mir, daß es fürs
ganze Leben reicht. Was ist an diesem so Besonderes?«
»Es war der Ort, an dem sie die Teilung
vornahmen«, erklärte Alfred leise. »Das Siebente Tor.« »Also haben sich Samah
und Orla und der Rat in dieser Kammer versammelt…« »Mehr als das, Haplo«,
sagte Alfred gewichtig. »Sie sind nicht nur in dieser Kammer zusammengekommen,
sie machten sie zu einem Fokus ihrer magischen Kräfte. Eine Welt wurde geteilt,
vier neue erschaffen…«
Haplo stieß einen Pfiff aus. »Und sie existiert
immer noch, mitsamt all der Magie, all der unvorstellbaren Macht…« Er
schüttelte den Kopf. »Kein Wunder, daß sie sie mit Abwehrrunen gesichert haben,
damit kein Unberufener
Weitere Kostenlose Bücher