Irrwege
streckte er sich, ein krampfhafter Schauer durchlief ihn. Ein letztes gequältes
Röcheln, der alte Mann fiel zurück und lag still. Seine weit offenen Augen
starrten zur Decke. Er war tot.
Stumm vor Grauen konnte Paithan den Blick nicht
von dem Toten abwenden. Roland stand in einer Ecke und übergab sich.
Xars Augen wanderten über sie hinweg, und
Paithan sah in ihnen die Sichel blitzen, die sich bereitmachte zur Ernte.
»Es wäre ein schmerzloser Tod gewesen«, meinte
Xar. »Rasch, leicht. Aber dieser Narr hat alles verdorben. Ihr müßt sterben.
Und ihr werdet sterben…«
Xar streckte die Hand nach Aleatha aus.
Sie kam sich vor wie in einem bösen Traum. Kaum
daß sie wahrnahm, wie Roland sich schützend vor sie stellte, die Hand des
Magiers zur Seite schlug…
Nur von dem Wunsch beseelt, diesem
fürchterlichen Ort zu entfliehen, diesem fürchterlichen Mann, dem grausigen
Leichnam, riß Aleatha ihren Rock aus der Hand des toten Mannes und floh in
panischem Entsetzen.
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Kapitel 40
Im Labyrinth
»Was soll das heißen, ›sie hat uns verraten‹?«
erkundigte sich Alfred besorgt.
»Marit hat ihnen gesagt, daß du ein Sartan
bist«, erklärte ihm Haplo. »Und daß ich dich ins Labyrinth gebracht habe.«
Alfred überdachte diese Worte sorgfältig. »Dann
hat sie genaugenommen nur mich verraten. Ich bin derjenige, der
euch in Gefahr bringt.« Seine Miene hellte sich auf. »Du könntest ihnen sagen,
daß ich dein Gefangener bin. Daß…« Haplos grimmiger Blick ließ ihm die Worte
auf den Lippen ersterben.
»Marit weiß es besser. Sie kennt die Wahrheit.
Und ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß sie ihnen alles erzählt hat. Ich
wüßte nur gerne«, Haplo starrte gedankenverloren in das Halbdunkel unter den
Bäumen, »was sie ihnen sonst noch gesagt hat.«
»Bleiben wir einfach hier stehen und harren der
Dinge, die da kommen sollen?« fragte Hugh Mordhand interessiert.
»Ja«, nickte Haplo. »Wir bleiben einfach hier
stehen.«
»Wir könnten fliehen…«
Haplo nickte wieder. »Eine gute Idee. Ich habe
Freund Goren gerade zu überzeugen versucht…«
»Alfred«, berichtigte der Sartan scheu. »Bitte.
Das ist mein Name. Ich – ich kenne diese andere Person nicht. Und nein, ich
gehe nicht zurück.«
»Ich gehe, wohin er geht«, erklärte Hugh
Mordhand. Die Patryn waren jetzt in Sichtweite und kamen näher. »Wir könnten
auch kämpfen.«
»Nein«, antwortete Haplo sofort, ohne einen
Augenblick nachzudenken. »Ich kämpfe nicht gegen meine eigenen Landsleute.
Schlimm genug…« Er sprach nicht weiter.
»Sie lassen sich reichlich Zeit. Vielleicht hast
du dich geirrt?«
Haplo schüttelte den Kopf. »Sie wissen genau,
daß sie uns sicher haben.« Sein Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln.
»Außerdem versuchen sie sich wahrscheinlich darüber klar zu werden, was sie
mit uns anfangen sollen.«
Hugh Mordhand sah ihn verständnislos an.
»Du mußt bedenken«, setzte Haplo ihm
auseinander, »es ist neu für sie, einen Patryn gefangenzunehmen. Das war bisher
unvorstellbar.« Er schaute sich um, sein Blick wanderte über den Himmel, die
dunklen Bäume. »Dies war immer ein unwirtlicher Ort, voller tödlicher Gefahren.
Aber wenigstens waren wir einig und stark, stark durch unerschütterlichen
Zusammenhalt. Doch jetzt – was habe ich getan?…«
Die Patryn, geführt von einer stoischen Kari,
kreisten sie ein.
»Man erhebt schwere Anklagen gegen dich, Bruder«,
sagte sie zu Haplo.
Ihr Blick richtete sich auf Alfred, der rot
anlief und aussah wie das personifizierte schlechte Gewissen. Kari runzelte die
Stirn, schaute wieder Haplo an. Vermutlich erwartete sie, daß er alles
leugnete.
Haplo zuckte nur mit den Schultern und schwieg.
Er setzte sich in Bewegung, gefolgt von Alfred, Hugh Mordhand und dem Hund. Die
Patryn bildeten die Eskorte.
Marit befand sich nicht unter ihnen.
Sie marschierten schweigend durch den Wald; die
Patryn fühlten sich merklich unwohl in ihrer Rolle als Gefangenenwärter. Wenn
Alfred hinfiel – und vor Beklommenheit und Angst stolperte er noch häufiger
über seine eigenen Füße als gewöhnlich –, warteten sie ungerührt, bis er sich
wieder aufgerappelt hatte. Weder kamen sie ihm zur Hilfe, noch ließen sie Haplo
oder Hugh in seine Nähe.
Anfangs hatten sie ihn mit grimmiger
Feindseligkeit betrachtet. Jetzt aber, nachdem er längelang über eine
Baumwurzel gestolpert und in ein Sumpfloch hineingeraten war, um
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