Irrwege
weshalb sollte ich so etwas tun? Dieser Saal ist ein
Zimmer wie jedes andere in der Zitadelle. Ich habe keine Kugel gesehen, keine
Stimmen gehört. Doch er eignet sich ausgezeichnet für eine Feier, nicht wahr?
Tretet ein. Keine Magie, glaubt mir. Es gibt nichts zu befürchten…«
»Seht euch diese phantastischen Leckerbissen
an!« stöhnte Roland verzückt. »Wo ist das alles hergekommen?«
»Nun«, meinte Xar bescheiden, »ein kleines
bißchen Magie war vielleicht doch im Spiel. Aber laßt euch nicht bitten. Nehmt
Platz, eßt, trinkt… «
»Laß mich runter«, verlangte plötzlich Aleatha
mit einer vollkommen ruhigen, wenn auch vom Weinen rauhen Stimme.
Roland schrak zusammen und hätte sie um ein Haar
fallen lassen. Seine Aufmerksamkeit war ganz von der reichgedeckten Tafel in
Anspruch genommen.
»Wir müssen zurückgehen!« Aleatha versuchte zappelnd,
sich zu befreien. »Laß mich runter, du Schwachkopf! Begreifst du nicht? Wir
müssen zu dem Irrgarten! Drugar ist mit ihnen gegangen. Wir können ihn nicht
einfach da lassen.«
»Drugar ist wohin gegangen? Und mit wem?«
forschte Paithan.
»Laß mich runter!« Aleatha funkelte Roland an, der
sie grimmigen Gesichts auf den Boden sinken ließ.
»Ich hoffe, du bildest dir nicht ein, das hätte
mir Spaß gemacht«, meinte er frostig und marschierte zum Tisch. »Wo ist der
Wein?«
»In einer Kanne.« Xar machte eine Handbewegung,
ohne den Blick von Aleatha abzuwenden. »Wo, habt Ihr gesagt, ist der Zwerg
hingegangen, meine Liebe?«
Sie musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen
von oben bis unten, dann kehrte sie ihm den Rücken zu und redete mit Paithan.
»Wir waren im Irrgarten. Wir fanden das Theater. Leute sind dort, viele Leute.
Elfen und Menschen und Zwerge…«
»Red keinen Unsinn, Thea!« Paithan war es im
höchsten Maße peinlich, daß seine Schwester sich derart unmöglich aufführte.
»Wo ist der Wein?« fragte Roland wieder,
undeutlich, weil mit vollem Mund. »Das ist kein Unsinn, du mußt mir glauben.«
Aleatha stampfte mit dem Fuß auf. »Sie sind nicht wirklich, es sind Schatten.
Man sieht sie nur, wenn das Sternenlicht scheint. Aber – aber jetzt…« Ihre
Stimme zitterte. »Drugar ist einer von ihnen! Er – hat sich in eine von den
Schattengestalten verwandelt.«
Sie griff nach Paithans Arm. »Komm mit mir,
bitte!«
»Laß uns erst etwas essen.« Paithan versuchte
seine Schwester zu beschwichtigen. »Wirklich, Thea. Mit vollem Magen sieht
alles gleich ganz anders aus.«
»Ja!« sagte Xar einschmeichelnd. »Eßt, trinkt.
Ihr werdet euch alle erheblich besser fühlen.«
»Ich habe die Weinkanne gefunden«, verkündete Roland.
»Aber sie ist leer. Kein Wein mehr drin.«
»Was?« Xar fuhr herum.
Roland hielt ihm die leere Kanne hin. »Seht
selbst.«
Xar riß das Gefäß an sich und schaute hinein.
Der kleine Rest einer rötlichen Flüssigkeit bedeckte gerade eben den Boden. Er
roch daran. Hob den glitzernden Blick zu den Nichtigen, die sich vor der Glut
seines Zorns duckten.
»Wer hat das getrunken?«
Unter dem Tisch bewegte sich etwas, eine dünne
Stimme begann wohlgemut zu singen.
»Goldfinger…«
Alles Blut wich aus Xars Gesicht und strömte in
einem Schwall zurück. Er streckte die Hand unter den Tisch, bekam einen Fuß zu
packen und zog daran. Zifhab kam zum Vorschein; auf dem Rücken liegend wie ein
angesäuselter Käfer, trällerte er vergnügt vor sich hin.
»Du hast den Wein getrunken – den ganzen Wein!«
Xar brachte kaum ein Wort heraus.
Zifnab schaute aus wäßrigen Augen zu ihm auf.
»Liebliches Bouquet. Exquisite Farbe. Leicht bitterer Nachgeschmack, aber ich
nehme an, das kommt von dem Gift…« Er legte sich hin und fing wieder an zu singen.
»You only live twice…«
»Gift!« Paithan hielt sich an Rega fest, die
sich an ihm festhielt.
Roland würgte und spuckte aus, was er im Mund
hatte.
»Er lügt!« sagte Xar eisig. »Hört nicht auf den
alten Narren. Das ist nur ein dummer Streich…«
Der Fürst des Nexus bückte sich hastig, legte
die Hand auf die Brust des alten Mannes, murmelte etwas und bewegte
geheimnisvoll die Finger. Doch plötzlich verzerrte das Gesicht des Alten sich
vor Schmerz, er stieß einen gräßlichen Schrei aus. Seine Hände griffen ziellos
in die Luft, sein Körper bäumte sich auf. Plötzlich krallte er die Finger in
Aleathas Rocksaum.
»Gift! Von ihm für – euch bestimmt!«
Er krümmte und wand sich im Todeskampf, dann
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