Irrwege
Patryn getarnte Drachenschlangen.
Sie beherrschten die Patrynsprache fließend, ein weiterer Grund zur
Beunruhigung. Sang-drax sprach ausgezeichnet Patryn, aber immerhin verbrachte
er viel Zeit mit Xar. Wie lange trieben seine Kumpane schon ihr Unwesen
als Spitzel im Labyrinth?
»… gute Fortschritte. Unsere Truppen formieren
sich vor dem Letzten Tor. Wir warten nur auf dein Zeichen«, meldete eine der
Drachenschlangen.
»Ausgezeichnet«, lobte Sang-drax. »Es wird nicht
mehr lange dauern. Die Streitkräfte des Labyrinths sammeln sich. Zu der Stunde,
die in diesem Land als Tagesanbruch gilt, werden wir die Stadt angreifen und
zerstören. Eine Handvoll ›Überlebende‹ lassen wir entkommen, damit sie die
Schreckensnachricht verbreiten. Um so leichter unsere nächsten Siege.«
»Alfred der Sartan wird nicht davonkommen?«
erkundigte sich ein anderer zischelnd.
»Keinesfalls. Der Drachenmagier wird hier den
Tod finden, genau wie Haplo, der Patryn. Beide sind viel zu gefährlich für uns,
jetzt, da Fürst Xar von dem Siebenten Tor weiß. Es ist nur eine Frage der
Zeit, bis entweder Haplo oder der Drachenmagier in Erfahrung bringen, daß er
hier gewesen ist. Verflucht sei dieser Narr Kleitus, daß er Xar überhaupt davon
erzählt hat.«
»Wir müssen einen Weg finden, um uns diese
Lazare vom Hals zu schaffen«, bemerkte eine der Drachen-schlangen.
»Alles zu seiner Zeit«, erwiderte Sang-drax.
»Sobald unsere Arbeit hier getan ist, kehren wir nach Abarrach zurück, befassen
uns mit den Lazaren und dann mit Xar selbst. Aber das wichtigste ist die
Eroberung des Labyrinths. Wenn wir das Letzte Tor versiegeln, wird das Böse an
diesem Ort sich vermehren, und unsere Macht wächst mit. Unsere Art wird
erstarken in dieser sicheren Brutstätte, genährt von Furcht, Haß, Chaos…«
»Was war das?« Eine Drachenschlange wandte ruckartig
den Kopf zum Fenster. »Ein Lauscher?«
Marit hatte kein Geräusch verursacht, obwohl ihr
vor Entsetzen fast schwarz vor Augen wurde.
Sang-drax trat ans Fenster.
Lautlos verschmolz Marit mit dem dichten Nebel
und eilte auf Zehenspitzen zur Gassenmündung zurück.
»Hat sie alles gehört?« fragte die
Drachenschlange.
Sang-drax vertrieb den Nebel mit einer
beiläufigen Bewegung seiner Hand. »Sie hat alles gehört«, nickte er befriedigt.
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Kapitel 43
Die Zitadelle,
Pryan
Das Sternenlicht schien hell vom Turm der
Zitadelle. Das monotone Summen, dessen Worte man ahnen, aber nicht verstehen
konnte, erfüllte jeden Winkel der Stadt. Vor den Mauern standen die Tytanen in
regloser Trance. Drinnen hielt Aleatha das Amulett an das Tor.
»Wir sollten die Beine in die Hand nehmen.«
Paithan leckte sich über die trockenen Lippen.
»Ich gehe nicht ohne Aleatha«, sagte Roland.
»Ich gehe nicht ohne Roland«, sagte Rega.
Paithan betrachtete beide mit Verzweiflung und
liebevoller Resignation. »Und ich gehe nicht ohne euch.« Dann straffte er die
Schultern und fügte hinzu: »Das bedeutet dann wohl, wir sind alle so gut wie
tot.«
»Wenigstens sind wir zusammen«, sagte Rega
leise, griff nach Paithans Hand und dann nach Rolands.
»Solange das Licht scheint, sind wir sicher.«
Roland mochte sich nicht so schnell geschlagen geben. »Paithan, du und ich,
wir laufen zum Tor, schnappen uns Aleatha und fliehen zum Turm. Dann…«
Im selben Moment schwangen die Torflügel nach innen,
und das Sternenlicht erlosch. Die Tytanen vor den Mauern erwachten aus ihrer
Starre. Paithan ballte die Fäuste und wartete auf das Unvermeidliche. Er
wartete. Und wartete.
Die Tytanen blieben regungslos stehen, die
augenlosen Köpfe dem offenen Tor zugewendet. Aleatha trat ihnen entgegen.
»Bitte«, sagte sie, mit der anmutigen Gebärde einer Elfenkönigin. »Bitte tretet
ein.«
Paithan stöhnte. Er tauschte einen Blick mit
Roland, beide machten sich bereit, Aleatha zu holen und ihr Heil in der Flucht
zu suchen.
»Wartet!« flüsterte Rega staunend. »Seht!«
Ruhig, demütig, ehrfurchtsvoll legten die
Tytanen ihre gewaltigen Keulen nieder und wanderten friedfertig den Hügel
hinauf zum Tor.
Oben angekommen, blieb der vorderste stehen und
wandte der Elfenfrau das blinde Gesicht zu.
Wo ist die Zitadelle? Was müssen wir tun?
Paithan schloß die Augen. Er konnte nicht
hinsehen. Roland neben ihm stöhnte gequält.
»Hier ist die Zitadelle«, antwortete Aleatha
schlicht. »Ihr seid zu Hause.«
Xar, verwundet und erschöpft, suchte Zuflucht in
der Zitadelle,
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