Irrwege
dort verließen ihn die Kräfte, und er sank zu Boden. Geraume
Zeit lag er dort, blutend und zerschlagen, zu geschwächt, um sich selbst zu
heilen.
Der Fürst des Nexus hatte in seinem langen Leben
mit vielen starken Gegnern gerungen. Auch Drachen gehörten dazu, aber keiner
hatte über derart gewaltige magische Kräfte verfügt wie diese flügellose
Ausgeburt des Zorns.
Aber der Fürst hatte mit gleicher Münze
vergolten.
In seinem gegenwärtigen Zustand, halb betäubt
von Schmerz und Blutverlust, hatte Xar keine genaue Vorstellung davon, was aus
seinem Kontrahenten geworden war. Hatte er ihn getötet? So schwer verwundet,
daß er aufgeben mußte? Er wußte es nicht, und im Moment war es ihm auch völlig
gleichgültig. Die Kreatur war verschwunden. Xar hatte kein anderes Interesse,
als sich zu heilen, bevor diese tumben Nichtigen ihn so fanden.
Der Fürst des Nexus legte die Hände zusammen,
schloß den Kreis des Seins. Wärme durchströmte ihn, versetzte ihn in den
magischen Schlummer, der ihm Gesundheit und Kraft wiederbrachte. Fast hatte er
sich dem wohltätigen Bann ergeben, als eine drängende Stimme ihn zurückrief.
Rasch schüttelte er die Benommenheit ab. Keine
Zeit für Schlaf. Aller Wahrscheinlichkeit nach lauerte der Drache irgendwo und
leckte seine Wunden.
»Marit, du meldest dich zur rechten Zeit. Hast
du meine Befehle ausgeführt? Sind Haplo und der Sartan gefangen?«
»Ja, Gebieter. Aber ich fürchte, Ihr – Ihr habt
einen furchtbaren Fehler begangen.«
»Ich habe einen Fehler begangen.« Xar
fuhr in die Höhe. »Was soll das heißen, Frau – ich habe einen Fehler
begangen?«
»Sang-drax ist ein Verräter. Ich habe ihn
belauscht. Er und seinesgleichen haben vor, diese Stadt anzugreifen und zu
zerstören. Dann wollten sie das Letzte Tor schließen, und unser Volk ist gefangen.
Ihr müßt kommen…«
»Ich werde kommen«, sagte Xar, kaum
fähig, seinen Zorn zu beherrschen. »Ich werde kommen und Haplo und diesen
Sartan strafen, denen es offenbar gelungen ist, dich mit Lügen zu vergiften…«
»Nein, Gebieter. Ich flehe Euch an! Ihr müßt mir
glauben…«
Xar brachte ihre Stimme zum Schweigen, wie er
auch die Frau zum Schweigen bringen würde, wenn er sie im Labyrinth wiedertraf.
Sie versuchte gewiß, sich in seine Gedanken einzuschleichen, ihn zu bespitzeln.
Einer von Haplos Tricks – versuchen, mich mit
solchen hanebüchenen Geschichten ins Labyrinth zurückzuholen.
»Sein Wunsch soll ihm erfüllt werden«, sagte Xar
grimmig und stand auf. Der Vorfall hatte ihn mehr gekräftigt als ein langer
Schlaf. »Aber ihr, meine beiden Kinder, werdet keinen Grund haben, euch über
mein Kommen zu freuen.«
Doch erst mußte er die Nichtigen finden,
besonders diese Elfenfrau, die mit dem Amulett des Zwergs entflohen war.
Xar lauschte, seine Magie trug ihm die Geräusche
aus der ganzen Stadt zu, doch anfangs hatte er nicht viel Nutzen davon – das
lästige Summen von der Spitze der Zitadelle schien lauter zu sein denn je.
Dann, zu seiner Erleichterung, brach das Summen ab, und das Licht erlosch.
Endlich hörte er die Stimmen der Nichtigen, und
was er hören mußte, erstaunte und ergrimmte ihn. Sie öffneten den Tytanen die
Stadttore! Diese Idioten, diese Narren, diese…
Ihm fehlten die Worte.
Xar schritt zur Wand der Bibliothek und malte
ein Sigel auf den Marmor. Ein Fenster erschien, als wäre es schon immer da
gewesen. Xar konnte jetzt das Tor sehen; die Nichtigen, zusammengedrängt wie
die Schafe, die sie waren. Er sah zu, wie die Torflügel aufschwangen, wie die
Tytanen hereinmarschierten.
Mit einer grimmigen Genugtuung wartete er
darauf, daß die Tytanen die Nichtigen zerschmetterten und zermalmten. Geschah
ihnen recht, auch wenn ihr Tod auf diese Art seinen Plänen zuwiderlief. Nun ja,
vielleicht konnte er die Verwirrung ausnutzen, um seine Flucht zu
bewerkstelligen.
Zu Xars maßloser Verwunderung gingen die Tytanen
an den vier Nichtigen vorbei, sich ihres Vorhandenseins bewußt – ein Tytane hob
wahrhaftig den Menschenmann behutsam auf und stellte ihn ein Stück seitwärts
wieder hin –, doch ohne weiter Notiz von ihnen zu nehmen. Die augenlosen
Gesichter der Riesen waren nach oben gerichtet. Das Licht der Zitadelle strömte
wieder vom Turm und badete die ungeschlachte Kreaturen in einer silbrigen
Helligkeit, die sie beinahe verklärt erscheinen ließ.
Die Tytanen bewegten sich in Xars Richtung. Ihr
Ziel war die Zitadelle.
Die
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