Irrwege
ein alter Uhu.
Hugh Mordhand war schon in die Höhe geschnellt
und stand zum Kampf bereit.
»Sang-drax?« Plötzlich fühlte Haplo sich
unendlich müde. Die Wunde über seinem Herzen begann schmerzhaft zu pochen. »Er
wußte von dem Todesdolch.«
»Ja.« Marit grub die Finger in seinen Arm. »Und,
Haplo, ich hörte Sang-drax und die anderen Drachen-schlangen sprechen! Sie
wollen die Stadt angreifen und…«
»Abri angreifen?« wiederholte Alfred verwundert.
»Wer ist Sang-drax?«
»Er gehört zu den Drachenschlangen von
Chelestra«, erklärte Haplo finster.
Alfred wurde aschgrau und mußte sich an der Wand
festhalten. »Wie – wie sind diese Monster hierher gekommen?«
»Durch das Todestor – mit Samahs freundlicher Unterstützung.
Sie haben sich inzwischen auf allen vier Welten eingenistet, wo sie Chaos und
Zwietracht säen. Und hier sind sie offenbar auch eingedrungen.«
»Und bereiten sich darauf vor, Abri
anzugreifen?« Vasu konnte es nicht glauben. »Das haben schon viele versucht…«
»Sang-drax sprach von Armeen«, sagte Marit eindringlich.
»Tausende vielleicht! Snogs, Chaodyn, Dämonenwölfe – all unsere Feinde,
verbündet. Bei Tagesanbruch wollen sie angreifen. Doch erst will er dich töten,
Haplo, und jemanden, den sie den Drachenmagier nennen. Er soll ihren König
getötet haben.«
Haplo schaute Alfred an.
»Das war nicht ich«, protestierte der Sartan. Er
war so blaß geworden, daß er ganz durchsichtig aussah. »Das war nicht ich!«
»Nein«, stimmte Haplo ihm zu. »Das war Coren.«
Alfred zog die Schultern hoch und starrte
unglücklich auf seine Füße. Seine Schuhe schienen ein merkwürdiges Eigenleben
zu entwickeln, trippelten hin und her, klapperten mit Absätzen und Zehenspitzen
auf den Steinboden.
»Wie hast du all das in Erfahrung gebracht?«
verlangte Vasu zu wissen.
»Ich erkannte Sang-drax«, antwortete Marit widerstrebend.
»Ich kenne ihn von – von woanders her. Er bat mich, ihn zu Haplo zu bringen,
und behauptete, Xar hätte ihn geschickt. Ich glaubte ihm nicht. Als ich mich
weigerte, ging er, und ich folgte ihm heimlich. Ich belauschte ihn und die
anderen, während sie ihre Pläne schmiedeten. Sie wußten nicht, daß ich alles
hören konnte…«
»O doch, das wußten sie«, warf Haplo ein. »Er
brauchte dich nicht, um hier einzudringen. Sie wollten, daß du von ihren
Plänen erfährst. Sie wollen unsere Angst…«
»Die haben sie«, flüsterte Alfred beklommen.
»Haplo, sie sind auf dem Weg hierher!« sagte
Marit verzweifelt. »Sie werden dich töten. Wir müssen weg hier…«
»Ja«, nickte Vasu. »Für Fragen ist später Zeit.«
Nach seiner Miene zu urteilen, war er derjenige, dem die meisten Fragen auf der
Zunge brannten. »Ich bringe euch…«
»Nein, ich glaube nicht, daß du das tun wirst«,
ertönte ein hämisches Zischeln aus der Dunkelheit.
Sang-drax, immer noch in der Gestalt eines
Patryn, und drei seiner Gefährten traten durch eine Wand der Zelle.
»Das wird leichter, als ich dachte, wie Fische
fangen in einem Tümpel. Zu schade, daß wir keine Zeit haben, den Spaß ein wenig
auszudehnen. Es wäre mir und meinen Freunden ein solches Vergnügen, euch leiden
zu sehen. Insbesondere dich, Drachenmagier!« Das rote Auge richtete sich
bösartig funkelnd auf Alfred.
»Ich glaube, da liegt eine Verwechslung vor«,
sagte Alfred bescheiden.
»Da bin ich anderer Ansicht. Deine Tarnung ist
so leicht zu durchschauen wie meine.« Sang-drax fuhr zu Vasu herum. »Versucht
es nur, Obmann. Ihr werdet feststellen, daß Eure Zauberkunststückchen keine große
Wirkung haben.«
Vasu starrte fassungslos auf die Sigel, die er
flammend in die Luft geschrieben hatte. Die Runengefüge zerfielen, wehten
davon wie Ascheflocken.
»Liebe Güte«, seufzte Alfred und sank bühnenreif
zu Boden.
Die Drachenschlangen rückten näher. Der Hund
stand knurrend, mit gesträubtem Nackenfell vor Haplo und Marit. Sie hielt ihren
Speer in der Hand, Haplo den Dolch, den sie ihm gegeben hatte. Nicht, daß die
Waffen ihnen viel nützen würden.
Waffen… Waffen…
Die falschen Patryn kamen näher und näher. Sangdrax
hatte sich Haplo ausgewählt. Die Hand der Drachenschlange reckte sich nach
seiner Herzrune.
»Ich werde beenden, was ich begonnen habe«,
sagte er.
Haplo wich zurück, Marit und der knurrende Hund
mit ihm. Er stieß gegen Hugh Mordhand.
»Das Sartanmesser!« flüsterte Haplo. »Jetzt kann
es uns helfen!«
Hugh Mordhand
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