Irrwege
Gehorsam verweigert, aber in dem Moment hob Hugh die Axt
zum Schlag.
Der Hund war befremdet. Das war kein schönes
Spiel. Der Mann beging einen Fehler. Lautlos, ohne Knurren oder Gebell, sprang
der Hund den Assassinen an.
Die plötzliche Attacke erfolgte für Hugh aus
heiterem Himmel. Der schwere Körper prallte wuchtig gegen seinen Rücken, er
verlor das Gleichgewicht, die Axt flog aus seiner Hand und blieb in der Wand
stecken. Mordhand taumelte, fiel. Er stürzte mit seinem vollen Gewicht auf
Haplo.
Der Assassine stöhnte laut auf. Ein warmer Blutschwall
ergoß sich über Haplos Hände und Arme.
»Verflucht!« Der Patryn stieß gegen die Schulter
des Mannes und rollte ihn von sich hinunter auf den Rücken.
Haplos Dolch ragte aus dem Leib des Mannes.
»Verwünscht noch mal! Ich wollte nicht… Warum
zum Teufel hast du…« Fluchend beugte Haplo sich über den Verletzten. Eine
Hauptarterie war durchtrennt, Blut sprudelte aus der Wunde. Hugh lebte noch,
aber nicht mehr lange.
»Hugh«, sagte Haplo eindringlich. »Kannst du
mich hören? Das war nicht meine Absicht.«
Die Lider des Sterbenden hoben sich flatternd.
Hugh schien fast zu lächeln. Er versuchte zu sprechen, aber das Blut gurgelte
in seiner Kehle. Sein Kiefer fiel herunter, die Augen überzog glasige Starre.
Sein Kopf rollte zur Seite.
Der Hund näherte sich langsam und stupste den Toten
mit der Pfote an. Das Spiel ist vorbei. Hat Spaß gemacht. Jetzt steh auf, damit
wir weitermachen können.
»Laß ihn in Ruhe, alter Junge«, sagte Haplo und
schob das Tier zur Seite.
Der Hund, verständnislos, aber mit aus vielerlei
Gründen schlechtem Gewissen, ließ sich fallen und legte die Nase zwischen die
Vorderpfoten. So schaute er von seinem Herrn zu dem Mann, der sich nicht mehr
rührte. Es wäre schön, wenn jemand einem sagte, was eigentlich los war.
»Du, ausgerechnet«, sagte Haplo zu dem Toten.
»Verflucht!« Er schlug sich mit der geballten Faust auf den Oberschenkel. »Zur
Hölle mit allem. Gram! Warum Gram – und warum dies? Welches verfluchte
Schicksal hat dir diese Waffe in die Hand gedrückt?«
Der Sartandolch lag neben dem Leichnam auf dem
blutbespritzten Deck. Eben noch eine Axt, war er jetzt wieder ein primitives
Messer. Haplo faßte es nicht an. Er wollte es nicht anfassen. Die in das Metall
eingegrabenen Glyphen waren abstoßend, widerwärtig, erinnerten ihn an die
unheiligen Sartanrunen, die er auf Abarrach gesehen hatte.
Wütend auf Hugh, auf sich selbst, auf das
Schicksal, stand Haplo auf und starrte grimmig aus dem Bullauge.
Die Sonne brannte grell auf Drevlin nieder. Die
Regenbogenfontäne glitzerte und flimmerte. Mehr und mehr Zwerge kamen an die
Oberfläche, um geblendet und staunend ihre veränderte Welt zu betrachten.
»Was zum Teufel fange ich mit der Leiche an?«
Haplo runzelte die Stirn. »Ich kann sie nicht hier auf Drevlin lassen. Wie
sollte ich erklären, was passiert ist? Und wenn ich sie einfach irgendwo
hinlege, werden die Menschen die Zwerge des Mordes verdächtigen. Und dann ade,
schöner Friede. Dann sind sie glücklich wieder da, wo sie aufgehört haben.«
»Am besten übergebe ich sie den Kenkari«,
entschied er. »Sie werden wissen, was zu tun ist. Armer Kerl…«
Ein lauter, furchtbarer Aufschrei der Wut und
unsäglicher Verzweiflung genau hinter ihm ließ Haplo das Blut in den Adern
erstarren. Er konnte sich nicht rühren, Gehirn und Körper waren gelähmt vor
Grauen.
Der Schrei wiederholte sich. Das Herz des Patryn
begann wieder zu schlagen. Langsam drehte er sich herum.
Hugh Mordhand saß auf dem Boden und starrte auf
den Dolch, der aus seinem Leib ragte. Er legte die Hand um den Griff, und mit
verzerrtem Gesicht, als erinnerte er sich an den Schmerz, riß er die Klinge aus
der Wunde. Begleitet von einem bitteren Fluch, schleuderte er die mit seinem
Blut besudelte Waffe von sich. Dann ließ er den Kopf in beide Hände sinken.
Haplo brauchte nur einen Moment, um die
Erschütterung zu überwinden; um zu begreifen, was das Geschehen zu bedeuten
hatte. Er sagte ein Wort.
»Alfred.«
Hugh Mordhand blickte auf. Die dunklen Augen
brannten in dem bleichen, hageren Gesicht. »Ich war tot, oder nicht?«
Haplo nickte wortlos.
Hugh ballte die Fäuste. »Ich – ich bin gefangen.
Gefangen zwischen Diesseits und Jenseits. Wird es immer so bleiben? Sag mir!
Wird es immer so bleiben?«
Er sprang auf, kaum noch Herr seiner selbst.
»Muß ich die Qualen des Todes
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