Irrwege
Schönheit – schimmerte auf den glänzenden Armen aus Silber, glitt funkelnd über
Finger aus Gold. Die Zwerge blieben stehen, gebannt und irritiert von dem ungewohnten
Anblick, dann beschatteten sie die Augen und murrten über ›viel zu hell‹.
Haplo blieb stehen und schaute sich lange um.
»Ich werde nie hierher zurückkommen«, sagte er
plötzlich zu sich selbst. »Nie mehr.«
Die Erkenntnis machte ihn nicht traurig, er
empfand nur eine Art stiller Melancholie, wie er sie auf dem Gesicht der
Sartanstatue gesehen hatte. Keine bösen Vorahnungen. Aber Gewißheit.
Er wünschte sich, er hätte trotz allem Limbeck
Leb-wohl gesagt. Und danke. Daß er ihm das Leben gerettet hatte. Irgendwie war
er nie dazu gekommen. Fast drehte er sich um, dann aber ging er doch weiter,
zum Schiff. Es war besser so.
Haplo löschte die Runen an der Luke und wollte
sie eben aufstoßen, als er noch einmal stehenblieb und sich umsah.
»Hund!« rief er.
Als Antwort ertönte ein »Wuff!« von drinnen. Von
ganz tief drinnen. Mehr oder weniger aus der Richtung der Pantry, wo die Würste
hingen…
»Aha!« sagte Haplo grimmig. »Das also hast du im
Sinn gehabt.« Er machte die Luke auf und tat einen Schritt.
Schmerz explodierte in seinem Kopf, zerbarst zu
grellen Funken hinter seinen Augen und schleuderte ihn in lichtlose
Dunkelheit.
Ein kalter Guß holte Haplo umgehend ins
Bewußtsein zurück. Er war hellwach und auf der Hut, trotz der Schmerzen im
Kopf. Jemand hatte ihm aufgelauert, ihn niedergeschlagen und an Armen und
Beinen gefesselt. Aber wer? Und warum? Und wie war derjenige an Bord des
Schiffes gekommen?
Sang-drax. Die Drachenschlange. Aber meine Magie
hätte mich warnen müssen…
Unwillkürlich flatterten Haplos Lider, als das
Wasser ihm ins Gesicht schwappte, doch sofort schloß er die Augen wieder und
ließ stöhnend den Kopf zur Seite rollen. Dann lag er still, als wäre er wieder
bewußtlos geworden. Vielleicht hörte er ja etwas, woraus er schließen konnte,
was man mit ihm vorhatte.
»Hör auf damit. Spar dir die Komödie.«
Etwas – nach guter Tradition wahrscheinlich eine
Stiefelspitze – stieß Haplo in die Seite. Und die Stimme – die Stimme kam ihm
bekannt vor.
»Ich kenne den alten Trick«, fuhr der Sprecher
fort. »Du bist wach. Ich kann’s beweisen, wenn du Wert darauf legst. Ein Tritt
seitlich gegen das Knie. Ein Gefühl, als würde einem jemand ein rotglühendes
Schüreisen ins Bein stoßen. Niemand kann sich dabei totstellen.«
Weniger die Drohung – die für Haplo mit seinem
schützenden Runenpanzer keine war – als vielmehr die Bestürzung beim Erkennen
der Stimme veranlaßte ihn, die Augen aufzuschlagen. Verschwommen sah er zu dem
Mann, der gesprochen hatte.
»Hugh Mordhand?« fragte er benommen.
Der Assassine knurrte. Er saß auf einer
niedrigen Holzbank, die Pfeife zwischen den Zähnen, und der beißende Qualm des
Stregno zog in Schwaden durchs Schiff. Obwohl er ganz entspannt wirkte, war er
auf dem Sprung und hatte bestimmt eine Waffe griffbereit.
Nicht, daß irgendeine Waffe der Nichtigen Haplo
verletzen konnte. Andererseits, von Rechts wegen hätte auch kein Nichtiger
imstande sein dürfen, an Bord seines Schiffes zu gelangen und ihm einen
Hinterhalt zu legen.
Die Lösung des Rätsels mußte warten bis später.
Wenn er diese Stricke losgeworden war. Haplo konzentrierte sich auf seine
magischen Kräfte, um ihn von den Fesseln zu befreien, die Knoten zu lösen…
Nichts geschah.
Verblüfft zerrte Haplo an den Stricken, ohne
Erfolg.
Hugh Mordhand sah zu, schmauchte seine Pfeife
und schwieg. Haplo hatte den merkwürdigen Eindruck, daß der Assassine ebenso
gespannt abwartete, was passierte, wie er.
Haplo ignorierte seinen Aufpasser. Er nahm sich
Zeit, die Magie zu analysieren, eine Mühe, die er sich vorhin nicht gemacht
hatte, weil ein Zauber Zweiter Ordnung das nicht erforderte. Er prüfte die
Möglichkeiten, nur, um festzustellen, daß es lediglich eine gab – er war
gefesselt, fachmännisch, mit einem starken Seil. Alle anderen Alternativen
waren verschwunden.
Nein, nicht verschwunden. Sie waren noch vorhanden,
er konnte sie sehen, aber nicht erreichen. An unzählige Türen gewöhnt, die ihm
offenstanden, mußte Haplo bestürzt erkennen, daß jetzt alle, bis auf eine,
verschlossen und verriegelt waren.
Gereizt zerrte er an den Fesseln. Die Stricke
schnitten tief in die Handgelenke, Blut lief über die Runen an seinen
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