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Irrwege

Titel: Irrwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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ertragen, ohne je auf Erlösung hoffen zu können?
Hilf mir! Du mußt mir helfen!«
    »Das werde ich«, sagte Haplo leise. »Und ich
vermag es.«
    Hugh hielt inne und musterte Haplo ungläubig.
Seine Hand tastete zur Brust, riß das blutige Hemd auf. »Vermagst du etwas
dagegen? Vermagst du mich davon zu befreien?«
    Haplo betrachtete das Sigel und schüttelte den
Kopf. »Eine Sartanrune. Nein, ich kann dich nicht davon befreien. Aber ich
kann dir helfen, denjenigen zu finden, der es kann. Alfred hat dich damit
gezeichnet. Er ist der einzige, der die Macht hat, das Mal von dir zu nehmen.
Ich kann dich zu ihm bringen, wenn du den Mut hast. Er ist gefangen im…«
    »Mut!« Hugh lachte schallend. »Mut! Wozu brauche
ich Mut? Ich kann nicht sterben!« Seine Augen rollten wild. »Ich fürchte den
Tod nicht. Das Leben ist es, wovor mir graut! Verkehrt herum! Alles verkehrt
herum!«
    Er lachte und hörte nicht auf zu lachen. Haplo
vernahm den hohen, schrillen Unterton von Hysterie, von Irrsinn. Nicht
überraschend, nach allem, was der Mensch erduldet hatte, aber man durfte nicht
zulassen, daß er sich darin verlor.
    Haplo griff nach Hughs Handgelenken. Der
Assassine, der kaum noch wußte, was er tat, setzte sich heftig zur Wehr.
    Haplo hielt ihn fest. Der blaue Schimmer von den
Tätowierungen an seinen Händen und Armen strömte auf Hugh Mordhand über, wand
sich um seinen Körper und hüllte ihn ein. Er holte tief Atem und verstummte.
Dann schlössen sich seine Augen. Zwei Tränen quollen unter den Lidern hervor,
seine Schultern sanken herab.
    Haplo zog ihn in den Kreis seines Selbst. Er
spendete Hugh seine Kraft, nahm Hughs Qualen in sich auf.
    Bewußtsein verschmolz, Erinnerungen vermischten
sich. Haplo krümmte sich und schrie im Todeskampf, und es war Hugh Mordhand,
sein gedungener Mörder, der ihn stärkte. Die beiden Männer verharrten in einer
Umarmung von Geist, Bewußtsein und Körper.
    Allmählich verblaßte der blaue Schimmer. Jedes
Mannes Selbst kehrte in das eigene Refugium zurück. Hugh Mordhand wurde ruhig.
Haplos Schmerz verging.
    Der Assassine hob den Kopf. Sein Gesicht war
blaß, es glänzte vor Schweiß, aber die dunklen Augen blickten gelassen. »Du
weißt es«, sagte er.
    Haplo holte stockend Atem und nickte, unfähig zu
sprechen.
    Mordhand ging ein, zwei Schritte rückwärts und
fiel auf die Bank, auf der er auch vorher gesessen hatte.
    Der Schwanz des Hundes ragte darunter hervor.
Hughs Auferstehung war anscheinend zuviel für ihn gewesen.
    Haplo rief das Tier. »Komm her, alter Junge. Ist
schon gut. Du kannst dich wieder hervorwagen.«
    Der Schwanz wischte einmal über die Planken und
verschwand.
    Haplo schüttelte grinsend den Kopf. »Na gut,
bleib in deiner Ecke. Das soll dich lehren, künftig keine unlauteren Begierden
mehr zu hegen.«
    Bei einem Blick aus dem Bullauge sah Haplo
einige Zwerge gegen das Sonnenlicht neugierig in Richtung des Schiffes
blinzeln. Ein paar zeigten mit der ausgestreckten Hand und setzten sich in
Bewegung.
    Es war höchste Zeit.
    Haplo legte die Hand auf den Kompaßstein und begann
die Runen aufzusagen, um sicherzugehen, daß sie keinen Schaden genommen hatten
und die Magie bereit war, sie durch das Todestor zu bringen.
    Das erste Sigel auf der Obsidiankugel fing
Feuer. Die Flamme sprang auf das zweite über und so fort. Bald würde das Schiff
sich in die Luft erheben.
    »Was soll das?« fragte Hugh Mordhand, der
mißtrauisch die glühenden Runen betrachtete.
    »Wir verlassen Arianus. Und reisen nach
Abarrach«, erklärte Haplo. »Ich muß meinem Gebieter Bericht erstatten…« Er
stockte.
    Xar will dich tot sehen.
    Nein! Unmöglich. Gram war es, der seinen Tod
wollte.
    »Und dann machen wir uns auf die Suche nach Alfred…«,
begann Haplo, aber der Satz blieb unvollendet.
    Alles Dreidimensionale wirkte plötzlich flach,
als wäre jedes Molekül an Saft und Mark und Knochen und Gewebe aus jedem
Gegenstand auf dem Schiff herausgesaugt worden. Ohne Dimensionen, dürr wie ein
Herbstblatt, fühlte Haplo sich gegen die unsichtbare Mauer der Zeit gepreßt;
unfähig, sich zu bewegen; unfähig, auch nur Atem zu holen.
    Sigel flammten in der Mitte des Schiffes,
brannten ein Loch in die Zeit, das sich rapide vergrößerte. Eine Gestalt trat
durch die Öffnung: eine Frau, hochgewachsen, sehnig. Kastanienbraunes Haar mit
weißen Spitzen fiel ihr auf Schultern und Rücken. Lange, fedrige Strähnen in
der Stirn überschatteten

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