Irrwege
und über mit den komischen Zeichen bedeckt, wie das von diesem
Haplo damals. Erinnerst du dich?«
»Unser Erretter? Und ob ich mich erinnere! Verschleppte
uns in diese trostlose ›Zitadelle‹. Er und dieser alte Knacker. 27 Ich wünschte, ich hätte die beiden hier.« Roland schwang die geballte Faust,
die aus purem Zufall Paithan gegen die Schulter traf.
»Oh, ‘tschuldigung«, brummte Roland.
»Das war Absicht!« Paithan rieb sich den Arm.
»Quatsch. Du bist mir in die Quere gekommen. Wie
du mir dauernd in die Quere kommst.«
»Ich? Dir in die Quere? Du bist
derjenige, der mir überallhin nachläuft! Wir haben die Stadt in zwei Hälften
geteilt. Wenn du in deiner Hälfte bleibst, wie ausgemacht, könnte ich dir
nicht in die Quere kommen.«
»Das hättest du wohl gerne!« höhnte Roland.
»Rega und ich bleiben auf unserer Seite und verhungern, während du und dein
kleines Luder von einer Schwester schön fett werdet…«
»Fett! Fett!« Paithan verfiel in seine
Muttersprache, wie es ihm oft passierte, wenn er aufgeregt war, also in letzter
Zeit ziemlich häufig. »Wo, glaubst du, kriegen wir was zu essen her?«
»Keine Ahnung, aber ihr verbringt viel Zeit in dem
albernen Sternendom oder wie ihr das nennt.« Roland bediente sich stur weiter
der Menschensprache.
»Aber ja, du glaubst nicht, was da alles wächst
und gedeiht. Im Stockfinstern. Aleatha und ich ernähren uns von Pilzen. Und gib
meiner Schwester keine Schimpfnamen.«
»Zutrauen würd’ ich’s dir. Euch beiden. Und ich
nenne sie genau das, was sie ist – ein niederträchtiges kleines Lu…«
»Hinterhältiges kleines Was?« erkundigte sich
eine kehlige, laszive Stimme aus den Schatten.
Roland schluckte, hustete und warf einen
finsteren Blick in die ungefähre Richtung der Stimme.
»Oh, hallo, Thea.« Paithan begrüßte seine
Schwester ohne Enthusiasmus. »Ich wußte nicht, daß du hier bist.«
Eine Elfenfrau trat in das Licht von Pryans
endlosem Tag hinaus. Aus ihrer Erscheinung hätte man schließen können, daß sie
eben von einem Nickerchen erwacht war. In ihren blauen Augen nisteten noch süße
Träume. Ihr aschblondes Haar war dekorativ zerwühlt, die Kleidung achtlos
übergeworfen. Stoff und Spitzen schienen nach einer starken männlichen Hand zu
verlangen, um sie an den rechten Platz zu rücken – oder abzustreifen und neu zu
drapieren.
Sie blieb nur einen Moment in der Sonne stehen,
eben lange genug, um den altgoldenen Schimmer ihrer Locken zur Geltung zu
bringen. Dann glitt sie zurück in den Schatten der hohen Stadtmauer, die den
freien Platz umgab. Zu große Helligkeit war katastrophal für ihren hellen Teint
und machte Falten. Träge an die Mauer gelehnt, betrachtete sie Roland mit einer
Belustigung, die saphirblau unter langen seidigen Wimpern hervorblitzte.
»Wie wolltest du mich nennen?« fragte Aleatha
wieder, als sie sich zur Genüge an seinem Stammeln und Stottern geweidet
hatte.
»Du weißt selbst genau, was du bist«, brachte
Roland endlich heraus.
»Nein, weiß ich nicht.« Aleathas Augen öffneten
sich weit, um ihn in sich aufzunehmen, dann – als wäre die Anstrengung zu groß
– senkten sich die Lider müde. Schlössen ihn aus. »Aber warum treffen wir uns
nicht zur Weinzeit im Irrgarten, und du verrätst es mir?«
Roland brummte sinngemäß etwas von »Lieber wolle
er zur Hölle fahren« und stakte mit hochrotem Gesicht davon.
»Du solltest ihn nicht so herausfordern, Thea«,
tadelte Paithan, sobald Roland außer Hörweite war. »Menschen sind wie wilde
Hunde. Wenn man sie reizt, werden sie…«
»Noch wilder?« meinte Aleatha mit einem
mutwilligen Lächeln.
»Du magst es amüsant finden, mit ihm zu spielen,
aber dadurch ist es verdammt schwierig, mit ihm auszukommen.«
Paithan machte sich auf den Rückweg durch den
Menschenteil der Stadt zum Hauptbezirk der Zitadelle. Aleatha schlenderte
neben ihm her.
»Ich wünschte, du würdest ihn in Ruhe lassen«,
fügte ihr Bruder noch hinzu.
»Aber er ist die einzige Quelle der Unterhaltung
an diesem trostlosen Ort«, schmollte Aleatha. Sie sah ihn an, ein leichtes
Stirnrunzeln verunstaltete die ebenmäßige Schönheit ihrer Züge. »Was ist los
mit dir, Pait? Du hast mir früher nie Moralpredigten gehalten. Ich schwöre, du
bekommst von Tag zu Tag mehr Ähnlichkeit mit Callie – eine sauertöpfische alte
Junger…«
»Hör auf, Thea!« Paithan griff nach ihrem Handgelenk,
zwang sie, ihn anzusehen. »Red
Weitere Kostenlose Bücher