Irrwege
erbaut. Und,
hieß es im Text, nicht nur diese eine, sondern noch viele mehr. Interessant.
Durchaus vorstellbar. Er hatte ihre Lichter am Himmel blinzeln gesehen. Wie aus
dem Buch hervorging, hatten die Sartan die Elfen und Menschen und Zwerge zu
sich geholt.
Paithan glaubte auch das, hauptsächlich, weil er
sich mit eigenen Augen von der Tatsache überzeugen konnte, daß Angehörige
seines Volkes einst hier gelebt harten. Es gab Gebäude, wie die Elfen sie
liebten, mit vielen Türmchen und Erkern und überflüssigen Säulen und
Spitzbogenfenstern. Und es gab Behausungen für Menschen – massiv und
langweilig und eckig. Es gab sogar eine Stadt unter der Stadt, für die Zwerge.
Paithan wußte es, weil Drugar ihn einmal mitgenommen hatte, in der ersten Zeit,
als sie fünf noch miteinander redeten.
Die Zitadelle war sehr schön und praktisch, und
die Person, die das Buch verfaßt hatte, schien sich maßlos zu wundern, daß eine
so fein ausgetüftelte Sache nicht funktioniert hatte. Die Elfen, Menschen und
Zwerge (der Verfasser bezeichnete sie als ›Nichtige‹) weigerten sich, in
Eintracht zu leben, und fingen an, sich zu bekämpfen.
Paithan jedoch wunderte sich gar nicht. Es
lebten jetzt nur zwei Elfen, zwei Menschen und ein Zwerg in der riesengroßen
Stadt, und selbst diese fünf kamen nicht miteinander aus. Er konnte sich
vorstellen, wie es damals ausgesehen hatte – wann immer ›damals‹ war.
Die Zahl der Nichtigen (Paithan fing an, das
Wort zu hassen) wuchs mit besorgniserregender Geschwindigkeit. Eingepfercht
auf immer knapper werdendem Raum, ging man sich schließlich an die Kehle.
Unfähig, die stetig wachsende Bevölkerung unter Kontrolle zu halten, schufen
die Sartan (möge Gott ihre Ohren verdorren lassen nebst anderen passenden
Körperteilen) schreckliche Wesen, die sie Tytanen nannten und die anscheinend
als Kindermädchen für die Nichtigen fungieren sollten, neben den
Handlangerdiensten für ihre Schöpfer.
Das Licht aus den Sternensälen war so grell, daß
jeder gewöhnliche Sterbliche, der hineinsah, erblinden mußte, deshalb gab man
den Tytanen keine Augen. Zum Ausgleich für diesen Mangel (und um sie besser
kontrollieren zu können) verliehen die Sartan ihnen starke telepathische
Fähigkeiten, sie waren imstande, allein durch Gedanken miteinander zu
kommunizieren. Die Intelligenz der Tytanen war sehr gering, damit man nicht
fürchten mußte, daß sie zur Bedrohung wurden, dafür statteten die Sartan sie
mit ihrer Runenmagie oder einer rudimentären Form derselben aus.
Paithan war keine große Leseratte, er hatte die
langweiligen Passagen überblättert.
Der Plan hatte offensichtlich funktioniert. Die
Tytanen durchwanderten die Straßen, und die Elfen, Menschen und Zwerge waren
von der Gegenwart der Kolosse zu sehr eingeschüchtert, um ihren Zwist
fortzusetzen.
Alles gut und schön. Aber was geschah danach?
Weshalb verließen die Nichtigen die Städte und zogen in den Dschungel? Wie
konnten die Tytanen sich befreien? Und wo steckten die Sartan und wie gedachten
sie, diesen Schlamassel zu bereinigen?
Paithan erhielt keine Antwort auf seine Fragen,
denn: hier endet die Geschichte, lieber Leser.
Der Elf war enttäuscht. Er hätte trotz allem
gerne gewußt, wie die Geschichte ausging. Aber das Buch überließ alles
weitere seiner Phantasie. Es sah aus, als hätte es eigentlich länger werden
sollen, da noch mehr Blätter eingeheftet waren. Leere Blätter.
Wie auch immer, er hatte genug gelesen, um zu
wissen, daß die Zitadellen Ursprungsort der Tytanen waren, füglich durfte man
annehmen, daß sie von den Zitadellen angezogen wurden. Besonders, weil die Unholde
jeden, der ihnen über den Weg lief, zu fragen pflegten (bevor sie ihm den
Schädel einschlugen): »Wo sind die Zitadellen?« Hatten die Tytanen ihre
Zitadelle gefunden, war nicht anzunehmen, daß sie einfach wieder abzogen.
Das hatte er auch den anderen erklärt.
»Ich bleibe hier, hinter diesen Mauern. Die
Tytanen sind noch da draußen, versteckt im Dschungel, und warten auf uns. Merkt
euch meine Worte«, hatte er gesagt.
Und er hatte recht behalten. Auf furchtbare Art
recht. Manchmal wachte er noch schweißgebadet auf und glaubte, die Schreie der
Sterbenden im Wald draußen zu hören.
Paithan hatte sich geweigert, mit der Köchin und
den anderen hinauszugehen. Weil er nicht ging, ging auch Rega nicht – Rolands
Schwester und Paithans Herzblatt. Daraufhin beschloß auch
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