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Irsud

Irsud

Titel: Irsud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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gezielt hatte, nicht bewußt, sondern aus der Gewohnheit heraus, die sie so viele Male hatte stolpern lassen, daß sie die genaue Zahl gar nicht mehr wußte. Sie wankte und stürzte beinahe über den Klippenrand.
    Durch den Wirbel, der alles bis auf die bruchstückhaften Bilder in ihrem Verstand auslöschte, spürte sie vage einen festen Griff an ihrem Arm. Sie kämpfte gegen das Chaos an, zwang ihren Geist zur Ordnung. Leicht keuchend, richtete sie sich wieder auf.
    „Danke”, murmelte sie dumpf. Als ihr Blick klar wurde, lächelte sie ihm nervös zu.
    „Rab’Sombala Isshi.” Die Worte waren fast in einem Flüstern gesprochen, damit der Gesang nicht gestört wurde. Er blickte über die Schulter. Sukall stand maskengesichtig und starr aufrecht hinter ihm und wartete in vollkommener Disziplin auf seine Antwort.
    Er drehte sich sofort um, verbeugte sich mit vorsichtigem Respekt. „Ja?”
    „Die Kipu wünscht, daß Ihr Euch wieder Eurer Gruppe anschließt.” Da sie ihre Botschaft überbracht hatte und nicht bezweifelte, daß er ihr augenblicklich Folge leistete, wandte sie sich an Aleytys. „Parakhuzerim, Euer Auftritt in diesem Zeremoniell ist nahe. Die Kipu wünscht, daß Ihr kommt und Euch vorbereitet.”
    Aleytys blickte schnell zum Bestattungsfeuer hinüber, wo die Flammen noch immer hoch loderten. Zu ihrer großen Erleichterung waren die Hiiri still. Sie hoffte, daß das Einatmen von Rauch sie getötet hatte, bevor sie Zeit hatten, den Schmerz des lebendig Verbranntwerdens zu spüren. Sie verjagte die Erinnerung an die Schreie aus ihrem Verstand, entfernte sich vom Klippenrand, und ihr Magen verklumpte und entklumpte sich in einem ekelerregenden Rhythmus.

7
    Schatten dehnten sich in langen, dünnen Streifen über kurzes, federndes Gras, das noch feucht war vom Tau des Morgens. Aleytys schlug das zerknitterte Laken auseinander, faltete es doppelt und breitete es auf dem Gras aus, dann ließ sie sich mit gekreuzten Beinen in der Mitte des fahlgelben Rechtecks nieder. Sie fröstelte und rieb sich die Knie, die leichte Kühle in der frühen Morgenluft verstärkt von der Aufregung, die ihr Blut aufwühlte. Sie bewegte sich unruhig, zupfte an den Schulterträgern des rosa Chiffon-Gewandes, das in weichen, achtlosen Wellen um ihre Beine spielte. Als ein Blatt raschelte und ein sechsflügeliges Insekt an ihrem Ohr vorbeisirrte, lief ein Ruck durch ihren Körper; sie schauderte. Ein zielstrebiges Knistern riß ihren Kopf herum. Burash arbeitete sich durch den Kreis von riesigem Bambus und Kiefern, die sie in die Lichtung einschlossen.
    Eifrig sprang Aleytys auf die Füße und stand da, die Fäuste geballt, das Herz pochend, das Blut so schnell strömend, daß ihr Körper in eine Schicht von kaltem Schweiß gebadet war. Sie wurde in raschem Wechsel rot und dann blaß, driftete in die allzu vertraute Verwirrung ab; der Dämpfer schickte Wogen von Juckreiz quälend über ihren Rücken.
    Burash fing sie auf, als ihre Knie nachgaben. Sie lehnte sich an ihn und atmete tief durch, dann noch einmal und noch einmal, zwang sich zu den gleichmäßigen Atemzügen, machte sie länger und länger, langsamer und langsamer, ohne zu denken und zu fühlen, bis sie, als Reaktion darauf zitternd, ihren Körper kühler werden spürte, ein dumpfes Gefühl am Grunde ihres Magens, sich dann von ihm abstieß und vorsichtig auf das Laken niederließ, wobei sie zitternde Lippen zu einem kurzen Lächeln für ihn verzog.
    Burash ließ sich neben ihr nieder und hielt ihr das Messer hin.
    „Sei vorsichtig damit, Leyta.” Er legte seine freie Hand hinter ihren Kopf, seine Finger warm und beruhigend auf ihrem Hals.
    „Was hast du damit vor?”
    Aleytys drückte das Messer nieder, so daß es auf seinem Oberschenkel neben seiner offenen Hand ruhte. „Behalte das einen Augenblick.” Sie schloß die Augen. Begleiter, dachte sie in die Schwärze hinein, denk an dein Versprechen, denk daran, denk daran …
    „Leyta?”
    „Laß es gut sein. Was weißt du von mir, Burash?” Er ließ das Messer von seinen Beinen auf das Laken hinuntergleiten, wischte mit einem Fingerknöchel sanft über die zuckenden Muskeln an ihrem Mundwinkel. „Warum, Leyta?”
    „Ich habe ein paar … ein paar unbequeme Gaben, unbequem für jeden, der meine Handlungen kontrollieren will.”
    „So?”
    „Ich muß etwas tun. Nein.” Sie streckte die Hand aus, um ihn nicht antworten zu lassen. „Es gibt … o Gott … ich weiß nicht…”
    Sie wischte sich über das

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