Irsud
heißen, sollte ein wenig Respekt erzwingen. Das bleiche Ding da oben … Nun, du könntest zur Mittagszeit nackt herumsitzen.”
„Du bist ein dreckiger alter Kerl, Swardheld.” Dann legte sie sich zurück und schloß die Augen. „Warum existierst du, wer bist du, mein Freund?” Der sprudelnde Humor, den sie noch vor einem Augenblick gefühlt hatte, glitt langsam dahin. „Was bist du?” Sie klopfte gegen die Schläfe und hörte das schwache, zarte Läuten des Diadems. „Was ist dieses Ding?”
Sie spürte das Zögern, jedoch keine Ausstrahlung von Widerwillen. Eher eine Suche nach Worten, um einen komplizierten Daseinszustand zu erklären, gepaart mit einer Spur Unsicherheit über das, was genau sie wollte. „Du kennst mein Leben”, sagte sie ungeduldig. „Du weißt, wie sich das Diadem wie ein Parasit an mir festgesaugt hat. Werde ich ein weiteres Augenpaar im Hintergrund des Verstandes irgendeines armen Idioten sein? Ist es das, was dir passiert ist? Warst du eine Person … Madar! Du bist jetzt eine Person… denke ich …” Sie runzelte die Stirn, seufzte dann. „Ahai, Madar, Worte sind etwas Seltsames.”
Das polternde Lachen wehte wie ein erfrischender Wind durch ihren verwirrten Verstand. „Keine zwei Schritte zur gleichen Zeit.
Du hüpfst herum, wirklich.”
„Nun?”
„Ja. Es gab eine Zeit, da hatte ich einen eigenen Körper.”
„Oh?”
„Das war vor einer ziemlichen Weile, Freyka. Laß mich nachdenken …” Die schwarzen Augen schlossen sich halb in der Anstrengung der Erinnerung, glitten dann nach rechts. „Harskari.”
Gelbe Augen öffneten sich. Aleytys erstarrte unter dieser plötzlichen Eröffnung, daß weitere Persönlichkeiten ihren Schädel bewohnten. Eine kühle Altstimme beantwortete Swardhelds Baß-
Frage. „Fünftausend von den Dreifachjahren Jaydugars. Swardheld Foersvarat.” Die bernsteingelben Augen schlossen sich, und die neue Persönlichkeit war weggewischt.
„Wie viele von euch gibt es denn noch da drinnen?” Sie stieß sich hoch und saß steif aufrecht auf der Bank, die Hände gegen die Schläfen gepreßt, ein Zittern der Furcht pulsierte durch ihren Körper. Mit geschlossenen Augen, das Gesicht unter einem Stirnrunzeln verzogen, konzentrierte sie ihr Sein auf ein Verlangen nach der Antwort.
„Nur noch mich”. Riesige purpurne Augen sprangen auf, begleitet von einer Aura von Charme und strahlender Intelligenz.
„Shadith, Sängerin und Liedermacherin, Wanderin hierhin und dorthin im Universum. Wir sind zu dritt, Le-ani. Zauberin. Sängerin. Schwertträger. Gefangen in einem goldenen Netz, das von jemandem geknüpft wurde, der seit tausendmal tausend Jahren tot ist.”
Swardheld knurrte. „Sie wird trunken von Worten, wenn man ihr nur den Hauch einer Chance gibt”, erklärte er ernst. „Aber wenn man lange genug zuhört, sagt sie für gewöhnlich etwas, das sich anzuhören lohnt.”
Shadiths Stimme, kräftig und voller Musik, glänzend wie gesponnenes Silber, brach in ein herzliches Lachen aus. „Er will, daß du denkst, sein Geist bestehe ganz aus Muskeln, aber glaube es nur nicht.” Aleytys strahlte durch das tiefe Empfinden, das die drei teilten und ihr ein versuchsweises Begreifen dessen gab, daß es am Ende doch nicht so schlimm sein konnte, sich diesen Phantomen anzuschließen. Sie schob den Gedanken für spätere Überlegungen beiseite und wandte ihren Geist wieder den erwartungsvollen Augenpaaren zu.
„Einen Schritt also. Du bist der, den ich zuerst kennengelernt habe, Swardheld. Wie hat dich das Diadem gefunden?”
Die schwarzen Augen wurden schmal, dann knurrte Swardheld:
„Hau ab, Shadith. Das Kind ist nicht an dieses ganze Gejammer in seinem Kopf gewöhnt.”
Aleytys dachte plötzlich: Alles, was ich sehe, sind Augen.
Warum bin ich so sicher, daß er männlich und sie weiblich ist?
Aber die Auren waren so lebendig, daß man sie nicht falsch interpretieren konnte.
Mit einem Rieseln von Lachen bestätigte Shadith diesen Gedanken, dann wandte sie ihre Augen Swardheld zu. „Überlasse dir die Bühne, du gemeiner, alter Brummbär.” Das Purpur zwinkerte.
„Tschüß, Aleytys. Bis später.”
Aleytys ließ sich wieder auf der Bank nieder, streckte sich auf dem Bauch aus; der Kopf ruhte auf gekreuzten Armen, das Haar floß über die Schultern. Die Brise glitt über ihren Rücken, plusterte den rosa Chiffon auf, spielte in den Strähnen ihres Haares, während sie verträumt in den feinen Schatten der Mimosenpflanze starrte,
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