Irsud
sanft. Sie hob den Kopf und starrte zu ihm hoch, wobei die dunklen Augen aus einem Gesicht schimmerten, das vom farbschluckenden Mondlicht jeder Farbe entleert war.
„Aleytys hat recht. Ich verdanke diesen Flußschweinen einen toten Bruder und eine tote Schwester. Vielleicht …” Seine Fühler zuckten kurz; er lächelte sie an. „Diese Nayids sind nicht von meiner Sippe.”
Aamunkoitta starrte ihn noch immer an, wieder verblüfft.
Burash berührte ihre Schulter und fühlte, wie sie fröstelte. Er ließ seine Hand verweilen und stand ruhig neben ihr, bis das Zittern nachließ. Sie seufzte. „Geh”, murmelte sie.
Burash nickte und stakste in das Gebäude zurück.
Aamunkoitta sah ihm nach, wie er davonging; wieder stieg Entsetzen in ihr auf. Entschlossen erhob sie sich und überquerte den schmalen Grasstreifen und kniete sich neben Aleytys nieder.
„Kannst du ihm helfen?”
Aleytys Gesicht wurde sanft, verschwommen, sie starrte in eine Ferne, die sich die Hiiri nicht einmal vorstellen konnte. Während ihre Hände wie weiße Motten über den zerschundenen Körper flatterten, schwamm sie in einem schwarzen Fluß, eingetaucht in den symbolischen Zauber des Kraftstromes, der sich um die Sterne wand, schwarze Wasser, die ihr illusionäres Energiesummen sangen, eine Musik, die ihr Gehirn umströmte, sie wärmte, sie liebkoste, sie ausfüllte, bis die Energie überschwappte und in einem wilden Strudel durch ihre Arme pulsierte, ein Strudel, den sie, sooft sie ihn heraufbeschwor, sicherer leitete und beherrschte.
Er floß in den sterbenden, zerfleischten Körper und füllte ihn aus, trieb den Tod mit der Kraft seines Pseudo-Lebens zurück, verwandelte sich irgendwie … irgendwie, war ihr schwach bewußt … verwandelte sich in Fleisch, genau wie sich die Nahrung, die sie zu sich nahm, in Fleisch verwandelte, sie wußte nicht, wie es geschah, nicht wirklich, obwohl sie, wenn sie daran dachte, an Holzscheite dachte, die ein Feuer nährten, um das Äußere des Körpers zu wärmen, aber selbst dies war ein rätselhafter Vorgang, die Art, wie ihr Körper Nahrung in Leben verwandelte, ohne daß sich ihr Verstand dieses Prozesses bewußt war, diese Flut fremder Energie, die durch ihre tastenden Finger floß, war dieselbe, dieselbe Verwandlung aus dem schwarzen Wasser ihres Geistbildes in das Fleisch des Mannes, so daß sich die Wunden selbst heilten, die in sein Fleisch gekerbten Löcher sich mit neuem Fleisch füllten, starkem, gesundem Fleisch, und die geschwärzte, verkohlte Haut absorbiert und umgewandelt wurde, wobei sich neue, gesunde Haut unerbittlich über die schrecklichen Verbrennungen voranbewegte, so daß, als sie die Hände wegnahm und in einer schrecklichen Erschöpfung zitternd nach hinten fiel, die einzigen Zeichen seiner Begegnung mit dem Tod die blutverkrusteten Lumpen waren, die von seinem Körper fielen, als er sich aufsetzte und benommen umschaute, das Gesicht schlaff vor Erstaunen.
Burash fing Aleytys auf, als sie zusammenbrach, und hüllte einen weichen Bademantel um ihren schmerzenden, geschwächten Körper. Sie lächelte dankbar, zufrieden, sich an ihn lehnen zu können, in Kontakt mit dem Boden, dem guten Gefühl von Erde unter sich, wodurch ein warmer Energiestrom aus dem elementaren Zentrum von Irsud in ihren Körper sickerte. Zum ersten Mal spürte sie, daß diese Welt selbst sie willkommen hieß. Sie schloß die Augen und grüßte sie mit Respekt und schlichter Freude.
Ein scharfer Ausruf weckte sie aus dieser verträumten Mattigkeit.
Der Hiiri-Mann war auf den Füßen; plötzlich hielt er ein Messer in der Hand. „Hyonteinen!” Mit einem grollenden, heiseren, zischenden Schrei sprang er den Nayid an; als er lossprang, erwischte ein Fuß Aleytys schmerzhaft an der Schulter.
Burash rollte sich aus dem Weg und entging dem bösartigen Hieb des Messers nur, weil der Hiiri von der Heilung noch benommen und durch den Zusammenprall mit Aleytys aus dem Gleichgewicht gebracht war. Er rappelte sich auf die Füße und wich wachsam zurück; der Hiiri rollte sich ab und kam geschmeidig hoch.
„Nein”, platzte er heraus. „Nicht. Ich bin kein …” Er warf sich zur Seite, der Hiiri sprang wieder auf ihn zu.
Aamunkoitta warf sich vor, klammerte sich an sein Bein, als er vorbeistürmte. „Nein”, zischte sie. „Er gehört zu uns.”
Der Hiiri schüttelte sie ab und glitt lauernd auf Burash zu, so auf seine Beute konzentriert, daß er sowohl Aleytys als auch Aamunkoitta ignorierte.
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