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Irsud

Irsud

Titel: Irsud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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von Tropfen eisigen Wassers geperlt. Er blickte zu ihr her. „Weißt du … Hat uns die Kipu schon vermißt?”
    Aamunkoitta schaute wachsam auf.
    „Nein.” Aleytys zog die Robe fester um dem Körper, aber der kalte, nasse Stoff bot beim Kampf gegen die Kälte in den Knochen keine große Hilfe. „Aber Nakivas beeilt sich besser. Verdammt.
    Mir wird nie wieder warm werden.” Sie blickte auf die winzige, ruhige Gestalt der Hiiri hinunter. „Dir scheint die Kälte nichts auszumachen, Kätzchen.”
    Die Hiiri zuckte mit den Schultern. „Es ist, wie es ist. Akzeptieren und Einssein. Kunniakas, die Henkiolento-maan würden zur dir sprechen, wenn du nur zuhören würdest. Laß sie. Sei eins mit der Erde, dann ist die Kälte eins mit dir und wird dir nichts anhaben.”
    Burash berührte Aleytys an der Schulter. „Da!”
    Die Tür war geöffnet. Nakivas glitt heraus. Er huschte zu ihnen herüber, beugte sich vor, hielt sich in den dunkleren Schatten.
    „Kommt.” Seine Stimme war ein Flüstern, das beinahe in den wispernden, raschelnden Blättern der Bäume ringsum verschwand.
    Aleytys zuerst, dann Burash mit Aamunkoitta hinter sich, so gingen sie hinter ihm her in das zerfallene Haus.
    Aleytys zuckte zusammen und verzog schief das Gesicht, als eine muffige, verhüllte Gestalt an ihr vorbeiglitt und den Riegel in die Nut rammte. Sie schnüffelte. Das Innere des Hauses roch nach verfaulendem Holz, verfaulendem Essen und menschlichem Schweiß und Urin. Die Wände ächzten, murmelten, verschoben sich ständig, und das winzige, drohende Krabbeln von Ungezieferfüßen vereinte sich mit dem abgestandenen, dichten Schwarz, bearbeitete ihre Nerven, bis sie nervös wurde in ihrem Drang, von diesem widerlichen Ort wegzukommen. Eine Hand berührte die ihre, ergriff sie.
    „Halt dich an den anderen fest. Folgt mir.” Nakivas’ Stimme drang aus der stinkenden Finsternis heraus zu ihr. Aleytys schluckte und streckte die Hand aus.
    „Burash, kannst du meine Hand finden?” Er lachte. „Du vergißt, Leyta.”
    „Oh. Nimm du Kätzchens Hand, hörst du? Ich nehme an, wir sollen eine Kette bilden.”
    „Alles klar.”
    Nakivas ging los, die anderen stolperten hinter ihm her. Für sich selbst hätte Aleytys diese Finsternis beseitigen können; aber das wollte sie nicht. Der Gedanke daran, diese Schwärze mit den Blikken zu durchdringen, sehen zu können, was da lebte, brachte ein Zittern in ihren Magen.
    Nach einer Ewigkeit hielt Nakivas an. „Einen Augenblick”, sagte er und löste seine Hand von der ihren. Das Schwarz brach direkt vor ihnen auseinander. „Kommt”, murmelte Nakivas.
    Dankbar stolperte sie in den Regen hinaus. Sie hob den Kopf und ließ das kalte, saubere Wasser über Gesicht und Hände spülen, durch das Haar strömen. Nach einigen Augenblicken schüttelte sie sich und wandte sich an Nakivas. „Was nun?”
    „Kommt.”
    Vor ihnen, im Schutze einer Aushöhlung, dort, wo der Hügel auf den ebenen Boden traf: Fünf Pferde warteten unruhig, die Schweife wischten hin und her, die Hufe kratzten über das herumliegende Gestein, vier waren gesattelt, eines mit einem Bündel beladen.
    Schweigend saßen die vier Gefährten auf, Nakivas und Aamunkoitta mit einer einzigen glatten Bewegung, Aleytys vorsichtig, Burash bedächtig, mit zusammengepreßten Augen; Schweiß perlte über sein angespanntes Gesicht. Schließlich zog Nakivas ihn hoch und half ihm, sich im Sattel zurechtzusetzen. „Alles in Ordnung mit dir?” Er runzelte die Stirn. „Glaubst du, daß du dich oben halten kannst?”
    Burash rutschte im Sattel hin und her, die Augen noch immer geschlossen. Durch zusammengebissene Zähne murmelte er: „Und wenn es mich umbringt.”
    Nakivas stieß ein kurzes, scharfes Auflachen aus, dann trieb er mit einem Schenkeldruck sein Pferd aus der Senke. Aleytys wartete auf Burash, gemeinsam folgten sie dem Hiiri. Wieder bildete Aamunkoitta die Nachhut; die Blicke ihrer hellen Augen huschten wachsam umher.
    Trostlos, in Strömen, regnete es, und sie ritten endlos in die ewig gleiche Ebene hinaus. Ein schwaches Grauen im Osten verkündete den Sonnenaufgang, aber der Regen fiel weiterhin von einem Himmel, der in bleiernem, grauem Dunst verschwunden war. Aleytys blickte wiederholt zu Burash hinüber. Er klammerte sich schmerzhaft am Sattelknauf fest, glitt in diesen tranceähnlichen Zustand, der über bloße Müdigkeit hinausging, in völlige Erschöpfung. Sie erinnerte sich an jene erste Nacht, damals, als sie aus ihrer

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