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Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikka Bender
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nicht satt zu werden.»
    Das findet Peter jetzt fies. Er hasst dieses «Nachtreten» bei Ramona. Als ob sie nicht auch gern am Büfett zuschlagen würde.
    Vor dem Essen will das Ehepaar Unkelbach noch einen kleinen Abstecher zur Rezeption machen. Ausflüge studieren, vielleicht ein paar nette Gäste kennenlernen, die zur Abwechslung Deutsch sprechen. An der Infotafel, an der die Veranstalter ihre Tourprogramme aushängen, treffen sie auch tatsächlich auf eine Familie aus Bayern, Vater, Mutter und Tochter. Ramona ergreift die Initiative:
    «Hallo, ich bin Ramona, und das ist mein Mann Peter. Machen Sie hier etwa auch Urlaub?»
    «Ja, leider. Ich heiße Judith Strobel, das sind mein Mann Frank und unsere Tochter Svenja.»
    Judith kann gerade ihre Vorstellung beenden, da sprudelt es förmlich aus Frank heraus: «Hier im Hotel gibt es einen Arzt, der steckt mit dem Küchenchef unter einer Decke. Jeden Morgen ist das Wartezimmer brechend voll, und alle klagen über Übelkeit und Durchfall. Wir waren mit Svenja da, wir haben es mit eigenen Augen gesehen. Der Arzt hört gar nicht zu, wenn man ihm was erzählt. Der holt aus einer Schublade eine Packung mit billigen Kohletabletten, verlangt dafür 45 Euro und erklärt, dass die Tabletten immer helfen. Ich hab ihn gefragt, warum er da so sicher ist. Und wisst ihr, was er gesagt hat? ‹Ich bin seit einem Jahr hier, alle Gäste bekommen diese Tabletten, das heißt, sie sind tausendfach erprobt.›»
    Ramona und Peter erfahren noch, dass es Svenja wieder besser geht, dank des guterprobten Medikaments. Danach suchen sie gemeinsam das Restaurant auf. Strobels und Unkelbachs finden sogar einen Tisch im Außenbereich (nicht da, wo die Mäuse tanzen). So können sie in der frischen Luft sitzen. In den stickigen Innenbereich müssen sie nur, wenn sie sich etwas zu essen holen wollen. Wobei es mehr ums Finden geht. Russen scheinen schon viele Schlachten am Büfett erfolgreich geschlagen zu haben, denn ihre Taktik ist erstaunenswert: Sie füllen keine Teller, sondern nehmen sich gleich die Schüsseln mit an ihren Tisch.
    Das Personal sorgt nur sehr punktuell für Nachschub und belässt alles so, wie es die Gäste verlassen haben: Berge von Geschirr mit Essensresten stapeln sich auf den Tischen. Ramona spürt den Lippenherpes kommen, Frank Strobel macht Fotos für eine Klage gegen den Reiseveranstalter. Judith und er haben sich schon bei der deutschen Guest-Relation-Managerin beschwert, aber die hat nur gesagt: «Ich weiß, ich weiß. Ich selbst esse schon lange nicht mehr in diesem Hotel, und wenn ich Ihnen Aufnahmen aus der Küche zeige, werden Sie meinem Beispiel folgen.»
    Vor lauter Hunger essen sie ein paar Fritten und kalte Nudeln, dann muss Ramona aufs Zimmer, um ihren explodierenden Herpes zu behandeln. Und auch der Rest der Gruppe hat keine Lust mehr auf das Animationsprogramm: «Orientalische Nacht mit russischer Bauchtänzerin».
    Am nächsten Morgen blüht der Herpes bei Ramona, und Peter geht mit 45 Euro zum Arzt. Da ihr Mann nicht wiederkommt, unternimmt Ramona eine kleine Erkundungstour. Das Hotel wird von allen Seiten schwer bewacht. Sicherheitskräfte, Schranken, Verbotsschilder und Bändchenkontrolle. Vor dem Eingang zum Nachbarhotel wird Ramona sofort von einem Aufpasser in schwarzer Uniform angebellt. «Hier wohnen? Nein? Dann weg, sofort. Nur reingehen, wenn auch wohnen.»
    Völlig verschüchtert geht sie weiter, entlang der vierspurigen Straße, vorbei an Bauruinen, Abfallbergen, Schutthügeln und Wüste. Sie hat genug gesehen und kehrt um. An der Rezeption wartet sie auf Peter. Als sie ihn entdeckt, hebt er die Röhre mit den Kohletabletten hoch und sagt: «Sie sind wirklich erprobt, es geht schon wieder.»
    «Wenigstens das. Und ich weiß jetzt, dass wir nicht in einem Hotel sind, sondern im Knast, und zwar ohne Freigang. Wenn wir raus wollen, können wir nur in die Wüste oder in einen Aldi-Laden. Es gibt auch keine Besuchserlaubnis, kein Fremder darf in unser Hotel, so, wie wir auch in kein anderes Hotel dürfen. Innendrin werden wir von der Russen-Gang drangsaliert. Das Besteck ist aus Plastik, damit wir uns nicht gegenseitig abstechen, und Essen gibt’s nur, wenn die Gang uns was übrig lässt. Ich will wegen guter Führung entlassen werden!»
    Ramona weint jetzt, und Peter erkennt den Ernst der Lage. Vom Zimmer aus ruft er Familie Strobel an. «Wir ziehen augenblicklich aus, das Geld ist uns egal. Wir fahren nach El Gouna, dort soll es schön sein und

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