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Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikka Bender
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Hütten erkennen: Essen-Rostocker-Hütte, Bochumer-Hütte oder Bonn-Matreier-Hütte. Letztere wurde vor knapp hundert Jahren von der Bonner Alpenvereinssektion und der Tiroler Sektion aus Matrei gemeinsam errichtet. Aber wie lange behalten diese Hütten ihre Namen noch? Die Bonner, Essener, Bochumer und Matreier sterben aus, und die Holländer, von denen weiterhin sehr viele in die Alpen fahren, ignorieren die Hütten, da sie auch hier nicht auf ihr Wohnmobil verzichten. Wenn die Holländer nicht ständig an ihren Deichen bauen müssten, damit sie die globale Erwärmung überleben, hätten sie vermutlich längst ein paar hohe Berge bei sich aufs platte Land gesetzt, mit Gletschern und allem Drum und Dran. Allein Tschechen und Polen machen den Hüttenwirten Freude. Die hauen so richtig rein und spülen nicht nur mit Ski-Wasser nach. Manchmal fallen sie auf dem Rückweg um. Das kann an manch einer Wegstelle lebensgefährlich sein. Aber die Bergwacht funktioniert bestens rund um den Großvenediger, und die Männer, die für sie arbeiten, wissen aus eigener Erfahrung, welche Erstversorgung bei alkoholbedingten Abstürzen im Hochgebirge zu leisten ist. Im oberen Virgental wächst die Vogelbeere, und aus ihr machen die örtlichen Schnapsbrenner einen ganz feinen und starken Tropfen, der auf keinem guten Stammtisch fehlen darf.
    Der Vollständigkeit halber: In noch früheren Zeiten gingen aber selbst die Einheimischen eher selten auf die Berge. Das Leben auf den Sommeralmen war vielen zu hart und entbehrungsreich. Milch und Butter und Sahne und Käse und fertig. Wenn der Senner seine Sennerin nicht dabeihatte, ging auch zwischenmenschlich ganz wenig. Heute ist das alles viel schöner. Hüttenwirtinnen sind stark im Kommen. Vielleicht können sie Essen, Bochum, Bonn und Matrei retten.
    Täglich wandere ich von einer Hütte zur anderen, aber irgendwann muss auch ich ins Tal, um meine Vorräte aufzufüllen und um «Grüß Gott» zu sagen. Man kennt mich, aber warum ich, der sich schon überall auf dem Globus herumgetrieben hat, immer wieder im engen Virgental auftauche, ist vielen wahrscheinlich ein Rätsel.
    Mein erster Gang im Dorf führt mich zu einem kleinen Supermarkt. Da sitzt immer der Simon an der Kasse. Wir haben als Buben zusammen gespielt, und dann war er von einem auf das andere Jahr an der Kasse dieses Spar-Ladens. Er hat die Tochter vom Chef geheiratet.
    «Alles klar, Simon?», frage ich.
    «Passt schon. Bist wieder da, wohnst auf der Hütte?»
    «Wie immer. Und wie wird das Wetter?»
    «Passt schon.»
    Danach trennen sich unsere Wege bis zum nächsten Jahr. Ich glaube, der Simon wird noch an der Kasse vom Spar sitzen, wenn die Alpen schon längst zum Mittelgebirge erodiert sind. Wenn der Satz «In der Ruhe liegt die Kraft» nicht von Konfuzius stammen würde, könnte ihn Simon gesagt haben.
    Ich gehe zum Friedhof, da liegt Paulas Mann begraben. Das Kreuz auf seinem Grab schmückt ein Foto von ihm. Das macht es leichter, an ihn zu denken. Doch nun ist Paula an der Reihe. Sie wohnt immer noch in dem alten Holzhaus, in dem sie ihre Kinder großgezogen hat und an das ich so viele Erinnerungen habe.
    Paula ist eine wunderbare Frau, die ihren Mann viel zu früh verloren hat. Mit ihm konnte sie stundenlang Händchen halten. Die beiden haben sich geliebt. Das ist auch in den Bergen nicht selbstverständlich.
    Die Haustür ist offen. Ich komme in die Küche, Paula sitzt am Tisch.
    «Der Bub, da ist er ja wieder.» Herzlich begrüßt sie mich, danach nimmt sie die Hände wie im Gebet vor den Bauch.
    «Wohin ging deine letzte Reise, erzähl!», fordert mich Paula auf.
    «In Algerien war ich. Vier Tage fuhr ich zusammen mit einem Tuareg durch die Sahara. Die Tuaregs sind ein Berbervolk und leben in der Wüste. Vier Tage haben wir kein Grün gesehen und keinen Tropfen Wasser, außer in unseren Kanistern.»
    «Warum sind da denn überhaupt Menschen? Ein Leben ohne Wasser und ohne Pflanzen, das geht doch gar nicht?»
    «Na ja, sie haben ihre Wohnungen oder Zelte in Oasen, da gibt’s schon Wasser und Palmen, aber drumherum ist eben nur Wüste, Hunderte von Kilometern.»
    «Und was hattest du da zu suchen?»
    «Es gibt dort uralte Felsmalereien.»
    «Für alte Malereien auf Steinen fährst du tagelang durch die Wüste?»
    «Manchmal mache ich eben so verrückte Reisen. Sie sind genauso verrückt wie meine Touren zu euch in die Berge.»
    «Aber hier ist alles grün! Hier ist es schön!»
    Ich springe in meinen Erzählungen von

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