Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
rauchten alleine, wobei abends auch hin und wieder mal unter ihnen ein Joint kreiste. Sie schliefen auch unter ihren Fahrzeugen, auf Plastikplanen in Decken gehüllt.
Von der Passhöhe führte die Piste in unglaublichen Steilkurven hinunter ins extrem heiße Industal. Unser erstes großes Ziel nach vier Tagen war der See Rama am Nanga Parbat, in der Nähe des Bergdorfs Astor. In Pakistan befinden sich zweiundachtzig Berge, die über 7000 Meter hoch sind, und mit dem Nanga Parbat sogar ein eigener Achttausender. Vier weitere muss Pakistan sich leider mit China teilen. Rein moralisch gesehen müsste der Nanga Parbat uns Deutschen gehören, nicht umsonst wird er «Schicksalsberg der Deutschen» genannt. Die nationalsozialistische Propaganda wollte den Erfolg am Berg ganz allgemein als Triumph des deutschen Volkes feiern. Vor dem Zweiten Weltkrieg durfte somit ziemlich jeder deutsche Bergsteiger zum Nanga Parbat ziehen. Statt erfolgreicher Besteigung fanden sechsundzwanzig deutsche Bergsteiger in den dreißiger Jahren hier den Tod. Erst 1953 erreichte als Erster der Tiroler Hermann Buhl den Gipfel; vier Jahre später kam auch er in den Bergen um. Noch heute ist es so, dass man am Nanga Parbat dreimal leichter sterben kann als am Mount Everest. Sogar Günther Messner, der Bruder von Reinhold, hat dort 1970 auf unerklärliche Weise sein Leben gelassen. Das ist natürlich auch wieder schlecht fürs Image von Pakistan.
Wenn Neuseeland seinen Namen nicht verkaufen will, sollten verantwortliche Pakistaner vielleicht bei Angela Merkel anrufen und ihr den Nanga Parbat anbieten. Wir könnten den Berg gut gebrauchen, alleine für die unzähligen Alpenvereinsmitglieder, die dann von der Zugspitze direkt hinüber zum Nanga Parbat wandern könnten. Im Gegenzug könnte Angela zum Beispiel den pakistanischen Verantwortlichen unseren Staatsnamen ausleihen, zum Beispiel während der Sommerferien, wenn bei uns sowieso keiner zu Hause ist. Das würde Pakistan extrem helfen, wenn sich das Land wenigstens sechs Wochen im Jahr Deutschland nennen dürfte. Diese Imagesteigerung! Das wäre meines Erachtens eine intelligente Einwicklungshilfe, denn sie würde den deutschen Steuerzahler keinen Cent kosten.
Während wir am Babusar-Pass mitten im Hochgebirgen gewesen waren, befanden wir uns im Tal des Indus nahezu in einer reinen Wüstenlandschaft. Entlang des Flusses, auf dem Karakorum-Highway (KKH), fuhren wir erheblich schneller als fünf bis zehn Stundenkilometer. Der KKH ist bis heute die höchstgelegene Fernstraße der Welt, rund tausend Arbeiter haben bei ihrem Bau ihr Leben gelassen. Immer noch sind etwa 1500 Soldaten mit schwerem Gerät täglich damit beschäftigt, sie von Stein- und Gerölllawinen zu befreien. Wir gehörten 1982 zu den ersten Europäern, die die Erlaubnis erhielten, den Highway zu befahren. Etwa drei Stunden kamen wir gut voran, dann, sechzig Kilometer vor Gilgit, der wichtigsten Stadt im Norden Pakistans, war es vorbei mit der Teerstraße. Hier mussten wir den KKH verlassen und in ein Seitental abbiegen. Über eine weitere Jeepable-Road ging es hoch nach Astor.
Ich war in den von Salim gesteuerten Küchenjeep umgestiegen, denn ich wollte mit Haroon und Altaf vorfahren und in Astor das Mittagessen vorbereiten, meist eine heiße Suppe und Fisch und Käse aus der Dose. Nach fünfzehn Kilometern, etwa auf halber Strecke, gelangten wir an eine Stelle, die Muschkin genannt wird. Dort lösten sich oft angesichts der intensiven Sonneneinstrahlung Teile des Steilhangs und rutschten als Staub- und Sandschicht in Richtung des Astor-Flusses. Lebensgefährlich war das, wenn man mit hinuntergerissen wurde. Um das zu verhindern, sprang Altaf aus dem Jeep und hetzte auf die andere Seite des Hangs, um den passenden Moment zum Überqueren der etwa hundert Meter langen Passage zu bestimmen.
«Wartet, wartet, noch nicht!», schrie er zu uns herüber.
In diesem Augenblick beobachteten wir, wie der Hang, eingehüllt in eine große Staubwolke, ein Stück absackte.
Nach einer Weile hörten wir erneut Altaf, sehen konnten wir ihn nicht. «Jetzt, sofort – Salim, gib Gas!» Wir schafften es.
Kurz vor Astor fanden wir eine kleine Schotterfläche, die uns geeignet erschien, um dort das Mittagessen einzunehmen. Was aber nicht geschah, denn die Gruppe kam nicht an. Alle vier Jeeps setzten wir auf die Vermisstenliste. Es gab nur eins, was wir tun konnten: Salim, Altaf, Haroon und ich fuhren zurück.
Die Muschkin-Passage machte uns keine
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