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Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikka Bender
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halb verhungerter und verlauster Jagdköter zusammenzuhalten, das wollte ich schon immer mal. Besonders, wenn der Fahrer im blinden Jagdwahn aus jedem Feldweg eine Küstenautobahn macht.
    Ich glaube, ich war ein wenig unhöflich. Ich habe die nette Einladung dankend abgelehnt, habe ganz unauffällig den Rückzug angetreten und mich wieder hingelegt. Doch als der Morgen schon graute, quietschten immer noch irgendwelche Reifen, hupten die Jäger zur Abfahrt in die Felder und Wälder der Umgebung.
    An Schlaf war nicht mehr zu denken, entsprechend gerädert fühlte ich mich, als ich aufstand. Ich verzichtete sogar auf das opulente Frühstück, das vermutlich sowieso ausgefallen wäre, weil der Ostanatolier ebenfalls auf der Jagd war. Nachdem ich mich angezogen hatte, fuhr ich deshalb hinunter an den nahen Dorfstrand, der gleich unterhalb von Dipkarpaz liegt, um dort in der Einöde spazieren zu gehen. Was für eine dämliche Idee! Denn in der Einöde war kein Platz für mich. Von allen Seiten wurden Gewehrsalven abgegeben, der Boden war bedeckt mit bunten Patronenhülsen, dazwischen bellende Hunde und herumballernde Jäger, so weit das waidwunde Auge reichte. Todesangst trieb mich in Richtung eines Restaurants, das den Namen «Oasis» trug. Meine Rettung.
    Am Plastikstrand saßen die Angler. Die Müllschicht war hier etwa dreißig Zentimeter dick und von umwerfender Farbenpracht. Mittendrin warfen die Angler ihre Rute aus. Sie winkten mir zu und freuten sich ihres Lebens. Das tat die Meeresschildkröte nicht mehr, die mit dem Panzer nach oben zwischen den Petrijüngern lag.
    Interessant, im schon zitierten Reiseführer hieß es zum Restaurant Oasis und seiner direkten Umgebung: «Geradezu idyllisch und mit drei markanten Palmen tatsächlich ein wenig an eine Oase erinnernd, kann man hier beinahe einen Robinson-Urlaub verbringen. Der Eigentümer bemüht sich, eine Anlage im Sinne eines ökologisch verträglichen Tourismus zu betreiben.» Ich habe an allen Meeren dieser Welt an irgendwelchen Stränden gestanden, aber so eine Sauerei hatte ich noch nie gesehen. Ich wollte auch gar nicht mehr wissen, was die freundlichen Angler angelten. Ich trank mein Wasser aus, das zum Glück kein Meerwasser war, und fuhr nach Dipkarpaz zurück.
    Gespannt war ich jedoch auf die Ausbeute der Jagdgesellschaft. Die versammelte sich verstaubt und verdreckt am frühen Mittag im Dorfzentrum, und zwar im örtlichen Kafenion. Kafenions sind wie deutsche Stammkneipen, öde möbliert, schmuddelig und irgendwie nach Männern und Schweiß riechend.
    Auf den Pick-ups lag erkennbar keine Beute, aber an den Hosengürteln der Jäger hingen Tauben, eher ein Paar als ein paar und mehr nach Spatz aussehend. Und ein paar mickrige Kaninchen, aber die waren nur bedingt als Jagdtrophäe zu bezeichnen. Ich hatte auf meinem Streifzug durchs Dorf gesehen, wie Jungen ihre Stallkaninchen an der Straße zum Verkauf anboten. Damals hatte ich mich gewundert, jetzt war alles klar. Die kleinen Möhrenfresser mussten ihr Leben lassen, damit die harten Männer was am Gürtel hängen hatten, wenn sie nach Hause kamen. Denn wenn da nichts baumelte, gab es Spott und Hohn von Oma und Opa, von der Frau und den eigenen Kindern. Da waren ein paar türkische Lire gut angelegt, um dem zu entgehen. Blöd nur, wenn die Söhne die Kaninchen ihrer gleichaltrigen Freunde am Gürtel des eigenen Vaters wiedererkannten. Aber ich denke, die haben den Mund gehalten, denn sonst wäre möglicherweise mal die eine oder andere Hand ausgerutscht. Ich mutmaße das nur!
    Die Stimmung im Kafenion war aufgeheizt. Ich konnte nicht viel verstehen, es wurde Türkisch gebrüllt und gelacht, geschrien, geraucht und Raki getrunken. Es hörte sich nach großen Abenteuern, noch größeren Heldentaten und schier unermesslicher Lebensgefahr an. Auch Freund Ali war im siebten Himmel. Eine weiße Taube war ihm vor die Flinte geflogen und hatte diese Unachtsamkeit mit dem Leben bezahlt. «Mein Freund Mikka, hast du schon mal so eine weiße Taube gesehen? Die ist so weiß, guck sie dir genau an.» Und dann hielt er sie mir unter die Nase, und ich konnte nur noch sehen, dass die Schrotladung nicht mehr sehr viel von der schönen Taube übrig gelassen hatte. Aber ich wollte Ali nicht die Stimmung vermiesen, also gab’s ein dickes Lob von mir. «Wie hast du die bloß vom Himmel geholt, so ein Prachtexemplar! Du bist ein exzellenter Jäger, wahrscheinlich der beste von ganz Dipkarpaz.» Diese Anerkennung machte ihn

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