Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikka Bender
Vom Netzwerk:
Lammkoteletts – und am nächsten Tag Lammkoteletts mit Pommes frites. Danach fing es wieder von vorne an. Immerhin servierte man dazu ein wunderbar kaltes Efes-Bier und einen Salat mit nachweisbarem Frischeanteil. Eine Kombination, an die ich mich gewöhnen konnte, genauso wie an das unglaublich verlässliche Frühstücksangebot.
    Bis zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht so recht klar: War meine Reise jetzt ein Traum oder ein Albtraum? Tapetenwechsel ja, aber hatte ich so eine Tapete gewollt?
    Am nächsten Tag wollte ich weiter das Dorf erkunden. Sich in der Fremde auskennen, das ist meine Überzeugung, ist das halbe Leben. Systematisch wanderte ich von einem Ende des Ortes zum anderen, nahm jede Seitengasse und schaute in jedes Gehöft. Nach gut zwei Stunden hatte ich mir ein exaktes Bild gemacht: Die Menschen von Dipkarpaz waren entweder Tierschützer, Schrotthändler, Müllsammler oder Supermarktbesitzer beziehungsweise -verkäufer.
    Ich habe mir schon die eine oder andere Ecke jenseits von Wuppertal angeschaut, aber Dipkarpaz ist einzigartig. Jagdhunde, und davon besitzt jeder männliche Einwohner mindestens zwei, lebten in Zwingern, in die bei uns früher maximal ein Huhn gesperrt werden durfte, ein Kaninchen hätte Hausverbot in dieser hölzernen Kiste bekommen. Kühe und Kälber wurden mit Vorliebe an fünfzig Zentimeter langen Stricken an die Achsen von alten Traktoren oder Anhängern angebunden, bei Ziegen waren die Seile mitunter einen halben Meter länger, wahrscheinlich deshalb, weil diese Tiere gern umherwandern. Und damit das liebe Vieh auch immer nah beim Bauern war, band er sie da an, wo er sich selbst auch am liebsten aufhielt: auf dem Schrottplatz vor seiner Haustür.
    Da stand dann ein von Regen und Sonne verblichenes Barocksofa, darauf hing der Tierfreund ab, und vor ihm türmte sich der ganze kaputte Krempel aus Haus und Hof: Kühlschränke, Herde, Fahrräder, Wassertanks, zerstörte Ackergeräte, Mopeds, Traktoren, Autowracks und vorzugsweise auch Busse, in denen der Kleinmüll gesammelt werden konnte. Das war natürlich ein Paradies für Ziegen & Co., entsprechend glücklich und wohlgenährt sahen die Viecher in Dipkarpaz aus.
    Mochte es so aussehen, dass der Nordzypriote vielleicht ein leicht distanziertes Verhältnis zu seinen Nutztieren hatte, so änderte sich das jedoch bei Eröffnung der Jagdsaison. Jedes Jahr fällt am ersten Sonntag im November der Startschuss zu diesem Freudenfest für Hund und Herrchen, so erzählte es mir mein junger Freund Ali aus dem Supermarkt, als ich zwischendurch bei ihm meine Wasservorräte auffüllen musste. Da ich selbst kein Waidmann bin, war diese Information für mich von sehr geringem Interesse, bis zur folgenden Nacht gegen drei Uhr in der Früh. Da durften alle Tölen, die Gott auf Zypern erschaffen hatte, aus ihren Holzkisten heraus, nur, um in Metallkisten auf Pick-ups verladen zu werden. Das war natürlich eine großartige Abwechslung, entsprechend freudig wurde gebellt, geheult und gewimmert. Zwischendurch fielen die ersten Freudenschüsse.
    Alles fand direkt vor meinem Fenster statt. Ich hätte jetzt im Schlafanzug hinausrennen und für Ruhe und Ordnung sorgen können. Aber ich trug keinen Schlafanzug, und ich wollte auch nicht blindlings in das Mündungsfeuer von dreißig Schrotflinten laufen. Nein, ich hab mich komplett angezogen zu den tollen Kerlen gesellt. Bei uns sehen Jäger grün und bedeckt und sterbenslangweilig aus, ganz anders in Dipkarpaz. Gaddafi könnte sich hier sehr schöne neue Ideen für seine Phantasieuniformen holen, wäre er nicht anderweitig beschäftigt. Tarnanzüge in Signalfarben trugen nur die Ärmsten der Armen. Wer zu Hause keine Frau hatte, die – wie im Kölner Karneval – etwa die Hälfte des Jahres damit beschäftig war, ein repräsentatives Jagdoutfit zu schneidern, der hatte sich zumindest ein paar protzige Orden umgehängt oder angeheftet. Pflicht waren zudem ein Dreitagebart, eine wilde Kopfkappe mit weiteren blitzenden Orden und schwerste Springerstiefel.
    Freund Ali war natürlich nicht weit, sein Tarnanzug war sogar mit goldenen Orden geschmückt. Hatte er die von seinem Opa geerbt?, fragte ich mich.
    «Hey, mein Freund Mikka, willst du mitkommen? Hast du Zigaretten? Den Rest haben wir. Kannst auf dem Pick-up meines Onkels mitfahren und die Hunde in Schach halten.» Klar, auf einer von Ziegen verdreckten Ladefläche eines verbeulten Toyota-Pick-ups mit Rallyestreifen eine halbe Ewigkeit eine Meute

Weitere Kostenlose Bücher