Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
fest in einer Lederhose, die gute Nähte haben muss. Aber vielleicht gehört sich das so in Kiel.
Nach dem Essen wollen die beiden Damen das Showprogramm erleben, wir sind mit einer Sitzecke, zweiunddreißig Karten, Stift, Bierdeckel und drei vollen Biergläsern zufrieden. Die AIDA hat sich für uns in eine Eckkneipe verwandelt.
Als Monika und Gaby um Mitternacht alleine ihre Kabinen aufsuchen, habe ich zwei neue Freunde gewonnen und zwei Paare vor einem öden Abend bewahrt.
Am nächsten Tag bin ich bereit, endlich ein richtiger Entdecker zu werden. Landgang. Ich stelle mir vor, auf einen tropisch grünen Hügel zu steigen und mich wie Herr Kolumbus vor ein paar hundert Jahren zu fühlen. Ein einsamer Palmenstrand würde mir zur Not aber auch reichen. Doch anscheinend habe ich die AIDA-Entdeckerphilosophie nicht so ganz verstanden. Die geht nämlich so: Man steigt mit 500 anderen Entdeckern in einen von fünfunddreißig bereitgestellten Minibussen und schaut durch ein Fenster auf Holzhäuser am Straßenrand. So gesehen ist auch jede Fahrt in einem überfüllten deutschen Linienbus eine phantastische Entdeckertour. Wenn das die Stadtbetriebe erst begreifen, werden die Preise drastisch steigen.
Es werden unzählige Besichtigungsstopps gemacht, eigentlich nichts anderes als kurze Pausen, um zu fotografieren, der erste inmitten einer Zuckerrohrplantage. Ich sehe zwar Zuckerrohr, weil es gut drei Meter hoch wächst, aber keine versprochenen Plantagenarbeiter. Wahrscheinlich haben sie vor uns Reißaus genommen. Nächster Halt: Muskatfabrik. Die schaue ich mir aus dem Bus an, da habe ich persönlich mehr Entdecker-Feeling. Wenn die Insassen von fünfunddreißig Minibussen eines Kreuzfahrtschiffs und von siebzehn weiteren eines zweiten in die kleinen Fabrikhallen strömen, eigentlich fluten, bin ich beim Busfahrer bestens aufgehoben. Im Verkaufsshop erwerbe ich ein kaltes Bier und mache mit dem Busfahrer ein Nickerchen. Was kann man doch nach einem kalten Bier in warmer karibischer Luft für ein herrliches Schläfchen machen. Eine wunderbare Entdeckung!
Am Abend lade ich meine Skatbrüder mitsamt weiblicher Begleitung ins bordeigene Feinschmecker-Restaurant ein. Da fühlt man sich gleich wie in der Business Class, besonders wenn man daran denkt, dass im Marktrestaurant das Besteck an Metallständern hängt und die Atmosphäre in Richtung Kantine tendiert. Wir haben uns alle chic gemacht. Bei Ulli und Gaby ist das ein bisschen schiefgegangen. Der Lederrock von Gaby ist wie schon ihre Lederhose einfach eine Nummer zu klein, und bei ihrer weißen Bluse hätte ein zweiter Knopf gute Dienste leisten können. Und bei Ulli steht die lilafarbene Bundfaltenhose auf Kriegsfuß mit seinem mehr grünlichen als gelblichen Kurzarmhemd. Mich stört das nicht. Ich will einzig bei Monika und Gaby für gut Wetter sorgen, haben ihre Männer sie doch durch mich vernachlässigt.
Tags darauf wird wieder zu einer Entdeckertour an Land geladen. Nein, danke! Ich bleibe an Bord. Ich habe die Hoffnung, dass ich hier der Einzige bin. Wieder ein Trugschluss. Es wimmelt von Entdeckungsverweigerern. Wahrscheinlich wollen die sich endlich einmal in aller Ruhe satt essen oder in der Karibik in die Sauna gehen oder eine freie Liege finden. Meine Kumpels sind leider gut dressiert, sie müssen trotz edlem Essen am vergangenen Abend mit auf eine Karibikinsel. Skat spielen kann ich also vergessen. Ich schaue viel aufs Meer und ein wenig ins Glas, und am Nachmittag habe ich mich am Sportcounter für Spinning eingetragen. Spinning habe ich noch nie gemacht.
AIDA-Gäste sind aktiv, lebensbejahend, sportlich, kommunikativ und schwitzen gern vor Publikum. Obwohl ich alle Kriterien erfülle, fühle ich mich erneut als Außenseiter. Es ist zum Über-die-Reling-Springen. Hätte ich mir vorab einfach eine coole Spinning-Klamotte gekauft, dann hätten mich die Kampfgiraffen und ihre männlichen Pendants vielleicht gnädig und mitleidig in ihrer Mitte aufgenommen, auch als Single. Weil sich Single und Sport auf den AIDA-Schiffen nicht ausschließen. Voraussetzung ist dafür aber das richtige Outfit. Und meins geht anscheinend gar nicht. Normales T-Shirt und Shorts, da wäre nackt noch besser gewesen. Selten haben mich schweißtropfende Menschen in eng anliegenden knallbunten Bodys so herablassend angeschaut. Dichtgedrängt sitzen sie auf diesen seltsamen, stationären Drahteseln ohne Räder und treten wie wahnsinnig in die Pedale. Ein durchtrainierter Instructor mit
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