Isabelle
»Ich bin für niemanden ein Problem«, sagte er, ein wenig heiser. »Ich mache meine Arbeit, das ist alles.«
»Wir haben es auf Band«, sagte Kleiweg trocken.
Max zog ein Foto aus der Innentasche. Die Aufnahme war von schlechter Qualität, aber das Profil des Afrikaners war deutlich erkennbar. Er stand De Canter gegenüber, der ihm die Tür geöffnet hatte und in Richtung der Kamera schaute, als erwarte er noch mehr Besuch.
»Bonvenu«, sagte Max. »Wahrscheinlich eine kongolesische Variante für Bienvenu. Willkommen, Meneer Bonvenu. Das kannst du ja zu ihm sagen, wenn er mitten in der Nacht plötzlich mit Pfeil und Bogen vor deinem Bett erscheint.«
Fons stand am Tor hinter dem großen Stallgebäude und wartete. Isabelle ging zwischen den Schafen hindurch über den hart gefrorenen Boden auf ihn zu. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Du hast das Richtige getan. Alles wird gut.«
Letty war dabei, ihr Gepäck zu der Luxuslimousine zu schleppen. Der Chauffeur half ihr dabei. Er hatte seinen Wagen auf der Auffahrt zu Fons’ Haus geparkt, wie es jeder tat, der sich hier nicht auskannte.
Es war ein stiller Wintertag, und man konnte die klassische Musik und das Klirren von Ketten aus dem Stall hören. Beethoven. Das brachte sie fast zum Weinen. In letzter Zeit konnte sie über alles Tränen der Rührung vergießen: über Fons’ altes Gesicht, sein Lächeln, die fehlenden Zähne.
»In ein paar Wochen bin ich wieder da«, sagte sie.
»Dann bist du reich«, sagte Fons. »Dann brauchst du uns nicht mehr.«
»Fons, hör doch auf«, sagte sie.
Frans kam auf sie zu, in seinem blauen Overall und den Gummistiefeln, mit seinen schüchternen Augen und den romantischen Wimpern, von denen Letty stundenlang schwärmen konnte, sodass Isabelle sich immer schwangerer fühlte. »Im Treibhaus ist eine Glasscheibe kaputt, ich glaube, dass der Wein schon erfroren ist.«
»Wir päppeln ihn schon wieder auf.« Fons winkte das Problem mit einer Handbewegung beiseite. »Isabelle fährt weg.«
»Ich weiß.« Frans öffnete das Tor, damit sie durchgehen konnte. Er bot ihr seinen Arm, eine Bewegung, die wirkte, als habe er lange darüber nachgedacht, bevor er sie ein bisschen steif und verlegen ausführte. »Wir werden dich vermissen«, sagte er.
Isabelle stützte sich schwer auf seinen Arm. Sie hatte jetzt fast ständig Probleme mit ihrer Hüfte, und sie sehnte sich nach dem Moment, wo sie dieses ganze zusätzliche Gewicht nicht mehr schleppen musste, erst im Auto und danach in der luxuriösen Klinik. Fons kam auf ihre andere Seite. Sie gingen an dem alten Anbau entlang, in dem der russische Traktor stand, den Frans in einer wagemutigen Anwandlung gekauft hatte. Es war ein altes, aber unverwüstliches Monstrum, was auch gut war, weil es natürlich keine Ersatzteile dafür zu kaufen gab und jedes Teil quasi von Hand geschmiedet werden musste.
»Meinst du nicht, dass es dir sehr schwer fallen wird?«, fragte Frans.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Es ist alles geregelt.«
»Weiß Doktor Vredeling davon?«
»Das ist gar nicht nötig«, meinte Fons.
Isabelle lächelte Frans unsicher an. »Ich habe ihr erzählt, dass ich eines zur Adoption freigeben würde.«
»Von uns wird niemand etwas erfahren«, erklärte Fons beruhigend. »Du bist schwanger und du bekommst ein Kind. Normaler geht’s ja gar nicht.«
Sie blieben stehen und warteten auf Letty, die das Häuschen abschloss. Der Chauffeur wartete in seinem dunkelgrauen Anzug an der hinteren Autotür.
»Dir wird kalt«, sagte Frans.
Wieder kämpfte sie mit den Tränen. Sie fasste ihn an den Schultern und zog ihn an sich. Er musste sich über ihren Bauch hinwegbeugen, damit sie ihn auf die Wangen küssen konnte. »Vielen Dank für alles«, sagte sie.
Danach küsste sie Fons. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Am besten gar nichts.« Fons grinste. »Krieg du mal ein schönes Baby, das ist besser, als schöne Reden zu schwingen.«
Sie halfen ihr auf den Rücksitz. Der Chauffeur schloss die Tür und Isabelle schaute durch die Glasscheibe hinaus zu Letty, die Frans den Schlüssel gab und fröhlich Abschied nahm, bevor sie zu ihr in den Fond hineinrutschte.
Der Motor lief fast geräuschlos. Die Limousine rollte rückwärts auf die Straße und richtete ihre lange glänzende Schnauze gen Süden. Isabelle konnte sich nicht umdrehen, aber sie wusste, dass Vater und Sohn auf der Fahrbahn standen und ihr hinterherblickten, bis sie außer Sicht waren.
Sie lehnte sich zurück.
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