Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
Vom Netzwerk:
hilfsbereit und verbreiteten eine beruhigende Atmosphäre, sie sahen nicht aus wie medizinisches Personal, und alles an der Einrichtung ihrer Suite, von den sonnigen Gardinen- und Bezugsstoffen bis zu den luxuriösen Möbeln, schien speziell dazu auserkoren, jegliche Assoziation mit Krankheit oder Gebrechen bei den Patienten zu vermeiden.
    Isabelle begriff nicht, was mit ihr los war und woher dieser Druck in ihrem Kopf und auf ihrer Brust kam. In der dritten Nacht träumte sie wieder, sie sei ein Fisch ohne Schwanz und Flossen, sodass sie nicht wegschwimmen konnte, als der dunkle Harpunenwurm die Wasseroberfläche durchbrach. Sie wurde wach, weil sie von ihrer in einen Sarong gehüllten javanischen Krankenschwester sanft an der Schulter gerüttelt wurde, die sie vielleicht über die verborgenen Mikrofone hatte weinen hören. »Es war nur ein Traum«, sagte die Javanerin beruhigend. »Ich kann Ihnen etwas zum Schlafen geben.«
    Isabelle betastete die Haut unter ihren Augen. Ihre Wangen waren nass. Sie schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich dick, aufgedunsen und zutiefst unglücklich. In der Suite herrschte durch die sanfte, indirekte Nachtbeleuchtung eine romantische Atmosphäre. Draußen lag die unberührbare Stille des Schnees. Wieder fing sie an zu weinen. Die Krankenschwester redete beschwichtigend auf sie ein, während sie eine weiße Tablette in ein Glas fallen ließ und es herumschwenkte, um sie aufzulösen.
    Letty erschien im Nachthemd. Sie wohnte im Zimmer nebenan, eine Suite mit eigenem Badezimmer, als sei es normal, dass die Patienten ihren Privatbutler, ihre Gesellschaftsdame oder ihren Leibwächter mit hierher brachten.
    »Lassen Sie nur, ich mach das schon«, sagte Letty. »Was ist das?«
    »Ein leichtes Beruhigungsmittel, es kann nicht schaden.«
    »Ich will kein Beruhigungsmittel«, murmelte Isabelle mit geschlossenen Augen. Letty nickte der Schwester zu, die lautlos verschwand. Letty setzte sich an den Rand des Bettes und befühlte Isabelles Stirn. »Was ist denn los?«
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte Isabelle. Sie legte die Hände auf ihre Brüste. »Ich hatte wieder diesen Traum. Und ich fühle mich so schwer.«
    »Durch die geschwollenen Brüste?«
    Isabelle schüttelte den Kopf. »Nein, daran liegt es nicht, es geht tiefer. Ich habe noch nie Depressionen gehabt. Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    »Vielleicht hilft dir die Tablette.«
    »Nein. Bleib doch bitte einen Moment bei mir.«
    Letty schaute sie an. »Du hast einen Entscheidungskater«, meinte sie.
    »Unsinn.«
    Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, und das war’s. Es gab kein Zurück mehr. Vielleicht hatte sie diese Beklemmungen, weil keine freie Wahl mehr möglich war. Aber vielleicht hatte sie die sowieso nie gehabt. Isabelle biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf.
    »Ich glaube, Judith spürt das auch, und deshalb hält sie sich fern«, sagte Letty. »Sie hat Angst, dass du es dir anders überlegst.«
    Es stimmte, dass Judith sich kaum sehen ließ, aber Isabelle glaubte eher, dass sie zielstrebig einem Programm folgte, das darauf ausgerichtet war, einen so großen Abstand wie möglich zwischen ihr und der Brutmaschine ihres Kindes entstehen zu lassen. Eine Brutmaschine konnte sie vergessen. In einer Brutmaschine steckte das eigene Kind, nicht das einer anderen.
    Judith wohnte in einem der anderen Flügel. Manchmal kam sie nachmittags für zehn Minuten zu Besuch, trank ein Tässchen Tee, erkundigte sich nach Isabelles Wohlbefinden und redete über das Wetter. Sie trug keine Kissen mehr unter ihrer Kleidung, das war nicht mehr nötig. Sie hatte alles mit den Ärzten und mit der Verwaltung geregelt, inklusive der Vorgehensweise, wie die Klinik im nahe gelegenen Dorf die Geburt von zwei Kindern am selben Tag und fast zum selben Zeitpunkt melden würde. Ein freundlicher Herr in der Verwaltung hatte ihr mitgeteilt, dass man in dieser Art von Gemeinschaft die Regeln leicht ein wenig großzügig handhaben könne. Letty zufolge war das auch viel unkomplizierter, und außerdem wollte niemand Judith und ihrem Geld auch nur im Mindesten in die Quere kommen.
    »Ich mache keinen Rückzieher.« Isabelle lächelte mit nassen Augen. »Wolltest du nicht mit mir ein Restaurant in der Veluwe aufmachen?«
    »Ich bin froh, dass du deinen Humor wiederfindest. Viel zu lachen hat man hier ja nicht mit dir. Ich bleibe nur, weil ich hier das Doppelte verdiene.«
    »Tut mir Leid.« Isabelle knetete ihre Brüste. »Manch mal komme ich mir vor,

Weitere Kostenlose Bücher