Isabelle
die beigefügte Erklärung des Krankenhauses zwischen den Papieren hervor. »Der Tod Amandas«, sagte er. »Können Sie sich an die Todesursache erinnern?«
»Innere Blutungen«, antwortete Longueteau und runzelte die Stirn.
»Genau«, sagte Max. »Und als Folge wovon? Einer Schusswunde? Eines Unfalls? Nein. Der Mann, der die Erklärung im Krankenhaus abgeholt hat, hat wahrscheinlich darum gebeten, die Todesursache unerwähnt zu lassen, um die Angelegenheit für Didier nicht unnötig zu verkomplizieren. Und auch in seinem eigenen Interesse, denn sonst hätte er noch einen Erben aufspüren können, der dann ebenfalls hätte ausgeschaltet werden müssen.«
Der Notar starrte ihn an.
»Amanda Mertens, Tochter von Mechthild und Raymond Lafont, gebar eine gesunde Tochter. Es gab Komplikationen und die Mutter starb im Krankenwagen auf dem Weg in die Klinik. Die Tochter wuchs bei einer unverheirateten Tante auf. Hätte Mechthild nach der Scheidung nicht wieder ihren Mädchennamen angenommen, hieße die Tochter ganz einfach Isabelle Lafont.«
Max lehnte sich zurück. Der Notar setzte seine Lesebrille auf und studierte die Erklärung. »Und, äh … Amanda wurde tatsächlich ehelich geboren, also noch bevor Raymond und Mechthild geschieden wurden?«
Max verlor die Geduld. »Es bestehen nicht die geringsten Zweifel bezüglich der Vaterschaft, falls Sie das meinen. Amanda wurde in Nuits Saint Georges geboren und ich nehme an, dass ihre Geburt hier im Rathaus registriert wurde. Ihr Vater hat sie wahrscheinlich noch als Kleinkind auf den Knien geschaukelt.«
Christian Longueteau nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. »In diesem Fall … eine Enkelin. Isabelle?« Er schüttelte den Kopf. »Wer ist der Vater?«
»Unbekannt. Die Mutter war nicht verheiratet. Ich nehme jedoch nicht an, dass das juristisch gesehen einen Unterschied macht?«
»Nein … wenn sie ausreichende rechtsgültige Beweise vorlegen kann …«
»Das ist kein Problem.«
»Unter diesen Umständen … hätte sie Anrecht auf einen gleichen Anteil. Die Hälfte des Nachlasses.«
»Vielen Dank, maître. « Max griff nach seiner Jacke.
»Warten Sie. Weiß Christine schon davon?«
»Nicht von mir. Am besten erklären Sie es ihr so bald wie möglich, bevor sie sich falsche Hoffnungen macht.«
»Ja, Donnerwetter noch mal …« Der Notar kaute an seiner Unterlippe. »Haben Sie irgendeine Vorstellung davon, was Ihre Klientin mit ihrem Erbe vorhat?«
Max hatte keine Ahnung. »Was hätte Christine damit angefangen?«
»Wenn sie alles bekommen hätte? Ich nehme an, sie hätte ihre Verwandten in den Betrieb mit hineingenommen. Das sind alles Winzer.«
Max dachte an Nels Bemerkung über das Natterngezücht und grinste. »Ich glaube nicht, dass Isabelle sich an den Weinbau wagt.«
Der Notar fand das nicht komisch. »Das würde Liquidation … Es sei denn, Christines Familie springt ein und zahlt Ihre Klientin aus. Ich muss Sie allerdings warnen: Wenn die Gerüchte über den Weinskandal stimmen und der gute Name der Marke in Verruf gerät, könnte der Betrieb erheblich im Wert sinken. Die Justizbehörden können ihn sogar beschlagnahmen. Natürlich wäre das alles nur vorübergehend. Dabei bin ich mir sicher, dass Christine mit alldem nichts zu tun hat und ihre Rechte geltend machen kann.«
»Maître, ich werde nicht mit Ihnen verhandeln. Lassen Sie sie erst einmal ein Angebot unterbreiten, dann werden wir schon sehen, wie Raymonds Enkelin darauf reagiert.«
Max grinste noch immer, als er das Haus des Notars verließ und in seinen BMW stieg, um Kleiweg abzuholen.
Das Wasser brodelte weiß und trübe über ihr, es war, als schaute sie durch eine regennasse Brille oder durch einen Block von geborstenem Eis, alles war unscharf und verzerrt. Etwas brach durch den Spiegel, diesmal kein Boot, sondern eine Unheil verkündende Dunkelheit, keine Harpune, sondern ein stumpfer Gegenstand, der an irgendetwas dranhing, ein Arm, ein Mann, und jetzt sah sie, im Bruchteil einer Sekunde, bevor es hinter der Explosion aus blendendem Licht verschwand, das Gesicht.
Isabelle drehte den Kopf weg, als sie in den Abgrund gezogen wurde, in einen schwarzen Schacht voller süßlicher, widerlicher, Übelkeit erregender Gerüche. Ein Gewicht wurde von ihr weggenommen, und dann kam der Schmerz. Sie riss den Mund auf, um zu schreien.
Das kühle Tuch lag auf ihrer Stirn. Isabelle öffnete die Augen. Ihre Knie hingen nicht mehr in den Bügeln, der Schmerz brannte noch nach, ihr war
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