Isabelle
Licht war weg, nur der Blitz glühte noch nach.
Ein Pfleger blickte auf den surrenden Fotoapparat in seinen Händen. Seine Finger öffneten und schlossen den Apparat, während Isabelle das Schlagen der Tür und die wütende Stimme einer Krankenschwester hörte. Ein Polizist kam fluchend herein. Ein kleiner Tisch auf Rädern fiel um, als er dem Pfleger die Kamera aus der Hand riss und den Mann aus dem Zimmer zerrte.
»Der Film«, murmelte Isabelle.
Die Krankenschwester beugte sich bestürzt über ihr Bett. Auf dem Schildchen an ihrem Kittel stand der Name Jolande. »Es tut mir Leid, Liebes«, sagte sie leise. »Du bist eine Sensation, auf die die Journalisten wild sind wie die Aasgeier.«
»Der Film, er hat ihn rausgenommen.« Isabelle packte sie am Arm.
Die Krankenschwester nickte. »Das geht schon in Ordnung …« Dann begriff sie, was Isabelle sagte, und stieß einen Fluch aus. »Ich bin gleich wieder da.«
Eilig verließ sie das Zimmer.
Kleiweg erkannte die Krankenschwester wieder, die über den Flur auf ihn zugerannt kam. Er bremste sie ab und warf einen Blick auf ihr Namensschildchen. »Schwester Jolande. Was ist denn los?«
»Ein Fotograf war da«, keuchte sie. »Er hat Aufnahmen gemacht.«
»Mist! Wo ist der Kollege?«
»Er hat den Mann mitgenommen.«
Kleiweg schaute den Flur entlang. Ein Arzt ging von Zimmer zu Zimmer, Patienten in Schlafanzügen und Bademänteln spazierten herum. »Ich hoffe bloß, dass er die Kamera beschlagnahmt!«
»Isabelle hat gesehen, wie er den Film aus dem Apparat herausgenommen hat.« Niedergeschlagen blickte sich die Schwester im Flur um. »Vielleicht sind sie mit dem anderen Lift …«
»Ich gehe ihn suchen«, beschloss Kleiweg.
Er ging den Flur zurück und blieb stehen, als er den Beamten durch die Luftzug-Schutztüren aus Plastik am anderen Ende kommen sah. Die Kamera baumelte an einem Riemen an seiner Hand.
»Wo ist der Fotograf?«, fuhr Kleiweg ihn an.
»Er war von irgendeinem Nachrichtendienst«, antwortete der Polizist verwirrt. Er war noch jung und hatte ein gut durchblutetes Gesicht, als käme er vom Land. »Ich habe seinen Fotoapparat konfisziert und seine Adresse aufgeschrieben, ich wusste nicht, was ich sonst noch hätte tun können, ich habe ihm gesagt, er würde noch von uns hören und dass er unter Umständen ein Protokoll …«
»Blödmann!«, schimpfte Kleiweg. »Gib mir die Kamera.«
Der Beamte lief noch röter an und begann zu protestieren. »Also jetzt hören Sie mal, Inspecteur …«
»Du stehst auf dem Flur, um aufzupassen, dass der Kleinen nichts passiert, dass niemand zu ihr reinkommt außer dem Arzt und den Krankenschwestern!«
»Aber er war doch als Pfleger verkleidet, er schob so einen Rollwagen, wie fürs Mittagessen, ich konnte doch nicht wissen, dass er nicht echt war. Er hat Hallo gesagt und ist reingegangen … und schließlich haben wir doch die Kamera!«
Kleiweg nahm ihm den Fotoapparat aus der Hand, drehte ihn um und öffnete mit einem Klicken den Deckel. Kein Film. Der Beamte schreckte zurück, als Kleiweg ihm den offenen Apparat direkt vors Gesicht hielt.
Der Mann schaute so verdattert drein, dass Kleiweg Mitleid mit ihm gehabt hätte, wenn er nicht so wütend gewesen wäre. »Du kennst den Arzt, du kennst die Krankenschwestern, Jolande und die andere, wie heißt sie gleich …«
»Ellen …«
»Ellen. Von jetzt an lässt du niemanden mehr hinein, ohne vorher bei einem von den dreien nachzufragen. Und wenn es die Königin wäre. Du lässt keinen Menschen rein!«
»Und was ist mit anderen Ärzten? Sie haben ja keine Ahnung, wie Ärzte sein können …«, begann der Beamte.
»Vielleicht bist du dir nicht ganz darüber im Klaren«, sagte Kleiweg, »dass diese junge Frau Zeugin eines Mor des war. Der Mörder hat vielleicht geglaubt, dass sie tot war. Aber dann kommt ein Fotograf, und ihr Foto er scheint in der Zeitung. Der Mörder sieht das Foto und weiß, dass sie nicht tot ist. Vielleicht hat sie ihn ja gese hen. Der nächste unbekannte Pfleger könnte genauso gut der Mörder sein, der jegliches Risiko ausschließen will.«
Kleiweg drückte dem Polizisten die nutzlose Kamera in die Hand, drehte sich abrupt um und ging zum Zimmer des Mädchens. Er hoffte, dem Mann einen ausreichend großen Schrecken eingejagt zu haben, sodass er künftig den Medienzirkus vor der Tür abfangen würde. Die Chance, dass der Mörder hier auftauchte, war seiner Mei nung nach allerdings gleich null.
Kleiweg klopfte und trat ein. Die
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