Isabelle
bereiten, und Mevrouw Mertens ist zu alt, um überhaupt irgendjemandem Scherereien zu machen. Ich glaube, sie möchte einfach nur ein paar beruhigende Nachrichten hören.« Er zuckte mit den Schultern. »Isabelle hat von niemandem mehr etwas zu befürchten. Die Polizei hat keine Fragen mehr an sie, und für die Zeitungen ist sie Schnee von gestern. Das Einzige, was die Presse noch interessieren würde, wären neue Informationen über diesen Mann und warum er ermordet wurde«, fügte er etwas zusammenhanglos hinzu.
»Das kriegen die doch nie raus.«
Max rührte in seinem Kaffee. »Was meinen Sie, warum ist Isabelle mit ihm mitgegangen?«
»Ich weiß nicht, es passierte von einer Minute auf die andere. Wir hatten vor, zusammen zu essen, aber sie hat mich versetzt. Ich habe gesehen, wie sie zu ihm ins Auto gestiegen ist, so ein teurer BMW. Er war wohlhabend und er war verheiratet, ich habe sie noch vor seinem Trauring gewarnt.«
»Ist Isabelle der Typ dafür, sich Hals über Kopf zu verlieben?«
Letty grinste kurz. »Allein wegen seines Geldes wäre sie nicht mit ihm mitgegangen. So was würde ich vielleicht machen, aber nicht sie.« Sie sah ihm direkt ins Gesicht. »Isabelle ist anders als die anderen. Hören Sie diese Musik? Das sind ihre Bänder. Nachdem sie weg war, hat der Chef wieder dieselbe Kaufhausmusik laufen lassen wie früher, aber unsere Stammkunden haben gefragt, wo denn die schöne Klaviermusik geblieben sei, deshalb haben wir die jetzt wieder aufgelegt. Isabelle spielt auch selbst Klavier. Sie ist viel romantischer veranlagt als ich.«
»Also war es Liebe auf den ersten Blick?«, fragte Max ohne eine Spur von Ironie.
»Mir ist so was noch nie passiert«, antwortete Letty mit einem gewissen Bedauern. »Zuerst dachte ich, es wäre wieder wie bei diesem Gerard, bei dem ist sie doch nur eingezogen, weil sie bei Tante Maran schier verrückt wurde, es war eine Art Flucht. Aber im Krankenhaus hat sie mir erzählt, das mit Ben habe nichts mit einer bewussten Entscheidung oder mit Davonlaufen zu tun gehabt. Sie konnte einfach nicht anders. Sie war nicht in der Lage, es mir genauer zu erklären. Ich glaube, sie wollte damit sagen, es sei so etwas wie Schicksal gewesen.«
»Und es hat geendet wie bei den Königskindern«, meinte Max. »Das Wasser war zu tief.«
Letty erwiderte seinen Blick mit einer Unsicherheit, die ihr Gesicht schüchtern und zart werden ließ. »Ich habe solches Mitleid mit ihr«, flüsterte sie. »Was soll man denn machen, nachdem einem so was passiert ist?«
Max wusste keine Antwort darauf. »Haben Sie sie seit ihrer Entlassung noch einmal gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie hat mich noch am selben Vormittag angerufen und mich gebeten, ihrer Tante nicht zu erzählen, dass man ihr gekündigt hatte. Sie wollte einfach jeden Tag einen Vorwand haben, aus dem Haus zu gehen. Danach habe ich nichts mehr von ihr gehört. Ich dachte, ich lasse sie am besten für eine Weile in Ruhe.«
Max sah, dass sie etwas vor ihm verheimlichte. »War das der einzige Grund, warum sie Sie angerufen hat?«
»Nein, Sie bat mich auch um eine Adresse …«
»Was für eine Adresse?«
Letty zögerte. »Das wird Ihnen auch nicht weiterhelfen, es ging um eine Chiffre-Anzeige in der Zeitschrift Bauernhof …«
»Bitte sag Max zu mir«, sagte Max. »Um was für eine Anzeige handelte es sich?«
Letty errötete leicht. »Eine von diesen Kleinanzeigen; die lese ich immer. Wir haben noch darüber gelacht. Ein Witwer und sein Sohn boten einer Frau gratis Unterkunft, die Tiere und die Natur liebt.«
»Eine Heiratsanzeige?«
»Nein, da stand zumindest, sie hätten keinerlei diesbezügliche Absichten, sondern vermissten lediglich ein weibliches Element auf ihrem Hof, so was in der Art. Isabelle hat die Anzeige gefallen.«
»Hast du sie noch?«
»Vielleicht.«
Max schaute sie verwundert an. »Was meinst du damit: Vielleicht hast du sie noch? Kannst du sie mir geben?«
Sie schaute ihm forschend in die Augen und erwiderte kratzbürstig: »Ich will kein Geld dafür, falls du darauf anspielen solltest. Aber schließlich geht es hier um meine Freundin.«
»Ich habe nicht vor, ihr Unannehmlichkeiten zu bereiten«, erklärte Max nochmals.
»Genauso gut könnte sie aber auch in Italien sein. Ich muss jetzt wieder an die Arbeit.« Letty stand auf und ging in Richtung Tresen. Unterwegs wurde sie von Gästen aufgehalten und notierte sich deren Bestellungen auf ihrem Block. Sie schaute sich noch einmal nach Max um,
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