Isabelle
oder segeln gehen konnten. Er war gelernter Schmied.«
»Dein Vater?«
Sie verzog kurz den Mund, weil er sie geduzt hatte. Dann nickte sie und deutete mit einer Geste auf die weißen Ledersitzmöbel. »Was haben Sie bis jetzt herausgefunden?«
»Ich heiße Max«, sagte er. »Nicht viel. Der frühere Freund der jungen Frau hat nichts damit zu tun, so viel ist sicher. Die Gründe für Bens Tod müssen in seiner Vergangenheit liegen.«
»Nein, ich meine über Isabelle.« Sie zögerte kurz, bevor sie den Namen aussprach, als fiele es ihr schwer.
»Isabelle hat ihre Stelle im Restaurant verloren …«
»Zu Recht.«
Max schwieg für einen Augenblick. »Sie spielt Klavier«, sagte er dann.
Judith warf einen verbitterten Blick auf den weißen Flügel. »Ich auch.«
»Auch heute noch?«
»Nein, ich habe Wichtigeres zu tun.«
Jedes ihrer Worte ging ihm auf die Nerven. »Vielleicht gibt es einen kleinen Unterschied zwischen den Pflichtstunden, die in euren Kreisen zum guten Ton gehören, und einem inneren Bedürfnis nach Musik«, meinte er schroff.
In ihren Augen blitzte Ärger auf und ihre Kiefermuskeln arbeiteten. »Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«
Max lächelte. »Auf der Seite meiner Klientin. Ich tue das, womit man mich beauftragt, und du wolltest wissen, was Isabelle für eine Frau ist. Unter anderem spielt sie eben Klavier. Sie ist Waise, ihre Mutter starb bei ihrer Geburt, und sie ist bei ihrer Großtante aufgewachsen. Unter diesen Umständen könnte ein Mensch leicht verbittert, unzufrieden und mürrisch werden, aber ich hatte den Eindruck, dass Isabelle ein intelligentes, fröhliches, warmherziges und ein bisschen naives Mädchen ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Mann sich in sie verliebt.«
Judith sagte eine Weile nichts. »Wieso naiv?«
Max beschloss, den Familienfluch unerwähnt zu lassen. »Ich glaube, dass sie sich gelegentlich in Menschen getäuscht hat oder dass ihr Einschätzungsvermögen von ihrer Sehnsucht getrübt wurde, den ziemlich beklemmenden Verhältnissen bei ihrer Tante zu entfliehen.«
»Aber in Ben hat sie sich nicht geirrt?«, fragte Judith nüchtern.
»Ich weiß nichts über Ben«, erwiderte Max. »Vielleicht wirst du dich damit abfinden müssen, dass zwischen den beiden etwas geschehen ist, was sie den Rest der Welt einfach vergessen ließ. Genau wie Ben hat Isabelle sich einfach so davongemacht, Hals über Kopf, und darüber ihre Verabredung mit ihrer Freundin sausen lassen. Solche Dinge passieren eben. Ich weiß, dass das schwer für dich zu ertragen ist.«
»Woher willst du das wissen? Immerhin war ich seine Ehefrau.« In ihrer Wut klang das »du« jetzt selbstverständlich und beißend.
Eine Frau in weißer Schürze kam mit einem Tablett herein, um Kaffee zu servieren. Judith reagierte gereizt auf die Störung und schickte sie weg, sobald sie das Tablett auf dem weißen Marmortisch abgestellt hatte.
Max studierte sie, während sie mit der silbernen Kaffeekanne, dem Zucker und dem Sahnekännchen hantierte. Judiths Bewegungen hatten Klasse, als habe sie neben den pflichtgemäßen Klavierstunden auch Ballettunterricht erhalten. Neben ihrer Förmlichkeit besaß sie auch etwas Elegantes und Geschmeidiges, das sie attraktiv machte. Sie hatte eine gute Figur, schöne Beine und eine glatte, zart gebräunte Haut. Er fragte sich, wie sie wohl im Bett war und wie viel Leidenschaft sich unter diesem steifen Kostüm verbergen mochte.
»Habt ihr euch gut verstanden?«, fragte er. »Im Bett, meine ich?«
Sie hätte beinahe die Kaffeetasse fallen lassen, die sie ihm anreichte. Er konnte seinen Kaffee gerade noch retten. »Ich gebe zu, dass mich das nichts angeht.«
Sie zögerte. »Stimmt, das geht dich wirklich nichts an. Ich hatte an Ben nichts auszusetzen.«
»Bist du ihm jemals untreu gewesen?«
Sie spitzte die Lippen. »Ich käme gar nicht auf die Idee. Ich bin … das liegt nicht in meinem Charakter.« Sie streckte ihre Hände und betrachtete die geranienrot lackierten Fingernägel. »Ich war seine Frau, ich war mit ihm verheiratet, aber für mich gibt es mehr, als nur Ehefrau zu sein. Ich habe stets auch noch andere Verpflichtungen gehabt. Die Fabrik, der Klub, karitative Arbeit. Ich bin da wie meine Mutter und habe einiges von ihr übernommen. Ich bin mehr als nur eine Hausfrau.«
Er lächelte, weil sie ihn so herausfordernd ansah.
»Ich will sie sehen«, sagte sie dann. »Das ist ja wohl das Mindeste.«
»Warum?«
»Ich bin neugierig. Ich will sie mir
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