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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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konnte ihr nicht antworten, weil sie keine Adresse angegeben hatte. Ich glaube, sie hatte Angst, mein Vater könnte sie rauskriegen. Zwanzig Jahre später stand Amanda vor meiner Tür. Im achten Monat schwanger. Ihre Mutter hatte ihr vor ihrem Tod meine Adresse gegeben. ›Wenn du jemals in Schwierigkeiten geraten solltest, wende dich an meine Schwester Maran‹, hat sie gesagt. Da erfuhr ich erst, dass Mechthild schon seit fünf Jahren tot war. Ich bin die Einzige, die noch übrig ist. Außer Isabelle. Ich habe kein Glück mit meiner Familie.«
    Max schwieg für einen Moment. »Und Amandas Vater?«
    »Mechthild hat sich von ihm scheiden lassen, als Amanda drei war.«
    »Was ist danach aus ihr geworden?«
    Maran biss sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, was Amanda mir über sie erzählt hat. Mechthild kam nach ihrer Trennung zurück in die Niederlande. Sie war schwanger mit ihrem zweiten Kind, einem kleinen Jungen, der nur ein paar Wochen gelebt hat. Ich weiß, dass Mechthild unsere Mutter angerufen und versucht hat, ein Treffen zu arrangieren, aber mein Vater fand das heraus. Er wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben und verbot jeglichen Kontakt. Er war ein schrecklicher Dickschädel. Ich weiß noch nicht einmal, wovon Mechthild gelebt hat.« Die alte Frau seufzte. »Vielleicht hatte mein Vater Recht, und meine Schwester hat einen Fluch auf sich und ihre Nachkommen geladen.«
    »Das klingt ja wie im Alten Testament. Glauben Sie das wirklich?«
    »Das behauptete mein Vater sein Leben lang, und es sieht doch aus, als würde er Recht behalten, oder nicht? Ich weiß nichts über die Ehe meiner Schwester. Amanda konnte mir nichts darüber erzählen, sie war erst drei Jahre alt, als Mechthild sich von diesem Mann scheiden ließ oder vielleicht weglief, selbst darüber bin ich mir nicht im Klaren. Ich sehe nur, dass sich bei Mechthilds Tochter die Geschichte wiederholte, allerdings ohne Gretna Green. Ich weiß nicht, wer Isabelles Vater ist. Vielleicht wusste es Amanda selber nicht.«
    »Warum hat Amanda nicht schon früher einmal Kontakt zu Ihnen aufgenommen?«
    »Keine Ahnung.« Maran wandte den Blick ab. »Ich könnte es verstehen, wenn Mechthild meinen Vater gehasst hätte. Vielleicht hat sie versucht, die ganze Familie zu vergessen, und hat auch Amanda in diesem Sinne erzogen. Amandas Geschichte ist genauso traurig wie die ihrer Mutter. Sie war fünfzehn, als ihre Mutter starb. Sie wurde drogenabhängig, landete in Amsterdam. Vielleicht hat sie sich geschämt, weil sie als Prostituierte gearbeitet hat.« Letzteres flüsterte sie verschämt, als sei das ein Wort, das hier nicht offen ausgesprochen werden durfte. »Ich konnte nichts mehr daran ändern, es war zu spät. Sie war im achten Monat schwanger, als sie hier ankam. Sie starb bei der Geburt. Das Einzige, was ich tun konnte, war, für Isabelle zu sorgen. Und jetzt sieht es ganz danach aus, als würde sich die Geschichte wiederholen, egal, was ich tue.«
    »Auf mich macht Isabelle den Eindruck einer normalen, gesunden jungen Frau«, sagte Max. »Sie hat Pech gehabt, das ist alles. Ihre Mühe ist bestimmt nicht umsonst gewesen. Sie kommt schon wieder auf die Beine.«
    »Erst dieser schreckliche Gerard. Dann ein Mordfall! Und jetzt …« Wieder biss sie sich auf die Lippen. »Ich weiß noch nicht einmal, wo sie ist. Sie ist fort.«
    »Fort? Wohin denn?«
    Sie schüttelte den Kopf, zog ein Taschentuch aus dem Ärmel ihres Kleides und betupfte sich damit die Augen.
    »Vielleicht können wir Ihnen dabei helfen, sie zu finden«, sagte Max.
    Maran nickte, steckte das Taschentuch zurück in den Ärmel und erhob sich steif aus ihrem Stuhl. Sie öffnete eine Schublade des antiken Büfetts und reichte ihm einen Umschlag, in dem ein liniertes Blatt Papier steckte. Max entfaltete es und las die drei Zeilen in der runden weiblichen Handschrift.
    »Liebe Tante Maran, es tut mir Leid, dass ich mich so einfach davonmache. Ich muss einfach eine Weile für mich sein. Bitte mach dir keine Sorgen, ich bin an einem sicheren Ort und lasse bald wieder etwas von mir hören. Vielen Dank für alles, was du für mich getan hast. Isabelle.«
    »Einfach so verschwunden … genau wie ihre Großmutter«, seufzte Maran.
    »Seit wann ist sie weg?«
    »Meistens geht sie sonntags mit mir in die Kirche, aber am letzten Sonntag wollte sie zu Hause bleiben. Als ich zurückkam, war sie weg.«
    »Hat sie Kleidung mitgenommen?«
    »Zwei Koffer. Genau wie damals, als sie zu diesem

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