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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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bevor sie hinter der Zwischenwand verschwand.
    Max lehnte sich zurück und rauchte eine Zigarette. Er hörte der Musik zu, die angenehm mit den gedämpften Stimmen und den übrigen Geräuschen des Restaurants verschmolz. Eine der Kinderszenen von Schumann. Er fragte sich, ob es Bauernhöfe mit Klavier gab, wohin man vor einem Fluch fliehen konnte, der über drei Generationen hinweg wirksam war. Nach fünf Minuten stand er auf und ging zum Tresen, um zu bezahlen. Letty stand ein ganzes Stück von der Kasse entfernt, und ein anderes Mädchen tippte den Preis für seinen Kaffee in den Computer ein. Als er sein Portemonnaie wegsteckte, drängte sich Letty an der anderen Serviererin vorbei und sagte leise: »Warte am Eingang kurz auf mich.«
    Er verließ das Restaurant durch die Glastür und studierte die Karte von den Niederlanden, die im Eingangsbereich hing. Die Autobahnen bildeten ein immer dichteres, wirres Netz. Zehn Sekunden später trat Letty mit einer zusammengerollten Zeitschrift aus einem Seitenflur.
    »Unter einer Bedingung«, sagte sie nervös.
    »Also hat es doch seinen Preis?« Max lachte leise.
    Letty presste die Lippen zusammen. »Vielleicht möchte sie nicht, dass ihre Tante erfährt, wo sie ist. Ich würde sie vorher gern besuchen gehen, dann kann sie selbst darüber entscheiden. Ich möchte, dass du mir ihre Adresse gibst und ihrer Tante nichts sagst, bevor du etwas von mir gehört hast.«
    Max nickte. »Abgemacht.«
    »Ich gebe dir meine Telefonnummer, falls du mich zu Hause erreichen willst.« Letty schrieb mit einem Kuli ihre Nummer auf die Zeitschrift, bevor sie sie ihm in die offene Hand drückte. »Seite siebenundsechzig«, sagte sie und ging eilig durch die Glastür zurück ins Restaurant.
    Die Räder seines Wagens pflügten durch eine dicke Lage Kies, die weiß und glatt dalag wie frischer Schnee und wahrscheinlich zweimal pro Woche von einem Gärtner sauber gespritzt, glatt geharkt und mit Unkrautvernichtungsmittel behandelt wurde. Bei einer wachsenden Anzahl solcher außerhalb gelegener Häuser sollte das Knirschen des Kieses dazu dienen, den Dobermann zu alarmieren, aber es kam kein Hund um die Ecke gerannt, als Max seinen BMW quer auf der breiten Einfahrt vor der geflügelten Backsteinvilla parkte und auf dem Weg zur Eingangstür Spuren im Kies hinterließ.
    Klingklong. Alles hier wirkte und klang ein klein wenig falsch.
    Eine Dame mittleren Alters öffnete die Tür. »Mevrouw Colijn?«, riet er. »Max Winter. Ich möchte gern zu Ihrer Tochter.«
    Mit einem abweisenden Gesichtsausdruck ließ sie ihn ein. Sie sah Judith ähnlich und war gewiss die genetische und pädagogische Quelle sowohl für ihre makellose Art sich zu kleiden und zurechtzumachen als auch für die etwas klinische Inneneinrichtung des Hauses. Weißer Marmor, weiße Teppiche, mit weißem Leder bezogene Möbel und sorgfältig arrangierte Rosen aus dem eigenen Garten in Vasen aus weißem Porzellan.
    »Der Detektiv ist da«, meldete die ältere der beiden Witwen.
    Judith stand auf, reichte Max die Hand und sagte mit einem kleinen Lachen: »Meiner Mutter gefällt es nicht, dass ich Sie engagiert habe.«
    »Stimmt. Ben ist tot. Lasst die Toten die Toten begraben«, bemerkte diese daraufhin gereizt.
    Max spazierte zum offenen Kamin, betrachtete eingehend das Gestell mit den Schürhaken und Zangen aus Kupfer und hielt sich heraus. Schließlich hatte er weder Psychologie noch Theologie studiert.
    Judith nahm den Faden einer Diskussion wieder auf, die hier wahrscheinlich in mehreren Aufzügen geführt wurde und der schon ein wenig die Luft ausging. »Ich will wissen, was in ihm vorgegangen ist«, sagte Judith. »Du meinst, ich täte es aus Langeweile, aber das stimmt nicht. Vielleicht spielt Eifersucht eine Rolle, kann sein, aber das ist mir egal. Ich will mich nur nicht länger so ausgeschlossen fühlen. Schließlich war er mein Mann, und ich habe ihn geliebt.«
    »In gewisser Weise jedenfalls«, erwiderte ihre Mutter in einem eigenartigen Ton.
    Max drehte sich um und fragte: »Was wollen Sie damit sagen?«
    Die ältere Frau musterte ihn mit kühlem Blick. »Ich bin nebenan«, sagte sie dann. »Ich werde Mary Bescheid geben.« Steif verließ sie den Raum.
    Judith schwieg ein paar Sekunden lang und sagte dann: »Sie denkt dabei an meinen Vater. Den hat sie auch in gewisser Weise geliebt, und Ben war ihm ähnlich. Nicht äußerlich, sondern von der Mentalität her. Ben und mein Vater waren am glücklichsten, wenn sie zusammen angeln

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