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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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müssen sich keine Sorgen machen, wir hätten nur noch einige Fragen an Ihre Nichte. Ist sie zu Hause?«
    »Nein …« Er sah, dass sie noch etwas hinzufügen wollte, aber sie presste die Lippen aufeinander. Ihr Gesicht verriet eine eigenartige Anspannung.
    »Kann ich sie irgendwo erreichen?«, fragte Max freundlich.
    Die alte Frau schüttelte den Kopf. Sie schaute die Straße hinunter, als erwarte sie, Isabelle dort auftauchen zu sehen. »Worum geht es?«, fragte sie mit belegter Stimme. »Kommen Sie doch einen Moment herein.«
    Sie führte ihn durch einen kurzen Hausflur mit einem braunen Läufer auf dem Marmorfußboden. An der dunkel tapezierten Wand neben der mit Holzfarbe gestrichenen Treppe, deren Stufen ebenfalls mit einem Läufer bedeckt waren, hing ein hölzernes Kruzifix. Das Haus roch alt, sauber und war sehr still, wie ein Kloster, doch anstatt kalkweißer Wände und einer spartanischen Einrichtung befanden sich in dem düster tapezierten Wohnzimmer ein großes altmodisches Sofa, ein poliertes Büfett, eine friesische Standuhr mit einem Kupferpendel, das laut tickend in seinem Kasten hin- und herschwang, gehäkelte Kissen und unechte persische Teppiche, gerahmte Schwarzweißporträts und ein Fernseher auf einem braunen Tischchen.
    »Sie haben es wirklich hübsch hier«, sagte Max, nachdem er in einem schweren Lehnstuhl mit dem Rücken zum Erker Platz genommen hatte. »Wie Sie das Haus so in Schuss halten, einfach bewundernswert.« Er lächelte entwaffnend. »Dabei sind Sie doch auch nicht mehr die Jüngste.«
    »Ich gehe auf die siebzig zu«, antwortete sie. »In meinem Alter braucht man kein Geheimnis mehr darum zu machen.«
    »Ich weiß es auch nur, weil es in den Akten steht«, sagte er. »Ansonsten wäre ich nie darauf gekommen.«
    Sie taute ein wenig auf. »Ich habe Glück gehabt. Ich stamme aus einer robusten Familie. Meine Freundinnen von früher sind alle im Altersheim oder liegen auf dem Friedhof. Ich komme auch noch dran, aber ich hoffe, dass ich das Altersheim überspringen kann.«
    »Ihre Großnichte hat wirklich Glück, so eine Tante zu haben.«
    Ein Schatten legte sich auf ihr Gesicht. »Es war nicht immer leicht. Ich habe getan, was ich konnte.« Max hatte den Eindruck, als sei das eine Standardfloskel von ihr.
    »Hatte Isabelles Mutter keine anderen Verwandten?«
    »Amanda hatte einen jüngeren Bruder, aber der ist, soviel ich weiß, ein paar Wochen nach seiner Geburt gestorben.«
    »Soviel Sie wissen?«, fragte Max verwundert.
    »Ja, Schwestern verlieren sich eben manchmal aus den Augen«, erwiderte sie bitter. »Schlimm ist das.« Sie warf einen seitlichen Blick zum Büfett und ging steifbeinig hinüber, um ihm eines der gerahmten Fotos zu zeigen. Es war ein altmodisches, von einem Fotografen aufgenommenes Bild, auf dem zwei ernst dreinschauende Mädchen mit geflochtenen Zöpfen und in dunklen Kleidern mit weißem Spitzenkragen zu sehen waren. Sie zeigte auf eines der Mädchen. »Das ist meine Schwester Mechthild, Isabelles Großmutter. Es war während des Krieges, wir waren im Internat bei den Nonnen. Mechthild war zwei Klassen über mir.« Sie schüttelte den Kopf, sank auf einen Stuhl mit gerader Lehne und rieb mit dem silbernen Bilderrahmen über die Plüschtischdecke. »Vielleicht liegt es in der Familie. Na ja, mit Ausnahme von mir. Ich bin nie schwanger geworden.« Sie erkannte Max’ Verwirrung und gab ein unangenehmes Geräusch von sich. »Wollen Sie das wirklich alles hören?«
    Sie wartete seine Antwort nicht ab, als sei sie froh, einmal darüber reden zu können. »Ungewollt schwanger – das passierte nicht nur Isabelles Mutter, sondern auch ihrer Großmutter, obwohl sie nicht verheiratet war. Damals war das eine Schande, und ganz besonders hier in Everdingen. Und dann noch von einem Ausländer. Mechthild hatte eine fürchterliche Auseinandersetzung mit meinem Vater. Dann ist sie mit dem jungen Mann durchgebrannt, und sie haben in Gretna Green geheiratet. Ich wusste noch nicht einmal, dass es das gab, so eine Art Schmiede in Schottland, wo man einfach so heiraten konnte. Seine Eltern waren offenbar auch dagegen. Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das alles erzähle, vielleicht weil es manchmal einfach zu viel für mich wird.«
    »Hatten Sie danach keinen Kontakt mehr zu Ihrer Schwester?«, fragte Max.
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie hat mir einmal geschrieben, aus Schottland, kurz nachdem sie geheiratet hatte. Sie schickte mir den Brief über eine Schulfreundin, aber ich

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