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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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schienen aber die natürliche Fähigkeit zu besitzen, mit Schicksalsschlägen fertig zu werden und das Leben so zu nehmen, wie es kam. Limburgische Lebenskünstler.
    »Du brauchtest einen warmen, sicheren Ort, das ist was anderes«, entgegnete Fons. »Vielleicht gefällt es dir ja auch so gut bei uns, dass du hier bleiben möchtest, aber es könnte sein, dass dir im Winter der Ölofen auf den Wecker geht.«
    »Aber vielleicht gehe ich euch auch auf den Wecker«, meinte Isabelle.
    Einen Moment sagte niemand etwas.
    »Wir könnten auch Erdgas legen lassen«, bemerkte Frans dann. »Bis zur Straße sind es nur fünfzehn Meter, und ein Anschluss ist bereits vorhanden.«
    Frans hatte dunkles glattes Haar und seine braunen Augen unter den femininen, langen schwarzen Wimpern erinnerten sie manchmal an einen Hirsch. Er war ebenso lernbegierig und an allem interessiert wie sein Vater und teilte dessen Leidenschaft für den Bauernhof, den sie als Luxus-Hof bezeichneten oder auch als Hobby-Bauernhof, weil sie nicht wirklich davon leben mussten. Fons bekam seine Rente und Frans, der Biologie studiert hatte, hatte eine halbe Stelle als Lehrer an einer höheren Schule in Venlo.
    Frans musste um die dreißig sein, und er erschien ihr so sanftmütig, dass sie sich fragte, wie er wohl mit einer Klasse aufmüpfiger Teenager fertig wurde. Auch wunderte sie sich darüber, dass er nie geheiratet hatte und sie kaum ein Wort über Freundinnen hörte. Er war wirklich attraktiv, und sie hielt ihn für durch und durch zuverlässig. Er war jemand, auf den man sein Leben lang würde zählen können und der zu vielen Opfern und Zugeständnissen bereit wäre, um den Frieden zu bewahren. Nie hatte sie bemerkt, dass er sie angestarrt hätte wie manche männliche Gäste früher im Restaurant, die sie regelrecht mit den Augen ausgezogen hatten. Er besuchte sie auch nie allein in ihrem Häuschen. Wenn er kam, dann zusammen mit seinem Vater, und auch nur, weil sie zum Beispiel einen Kühlschrank unter die Treppe gerückt haben wollte. Frans’ vollkommen natürliche Zurückhaltung war einer der Hauptgründe, warum sich Isabelle hier so wohl fühlte.
    »Frans ist nicht besonders an Frauen interessiert«, erklärte ihr Fons, als sie ihn eines Morgens im Gemüsegarten beiläufig darauf ansprach. Er sah ihren Gesichtsausdruck und fing sofort an zu grinsen. »Nein, er ist keineswegs schwul, wenn du das vielleicht meinst. Er geht manchmal mit Mädchen in die Kneipe und auf Partys, und bestimmt geht er auch mit ihnen ins Bett. Aber das ist alles nichts Langfristiges, meistens enttäuschen sie ihn. Er wartet sozusagen auf die wahre Jakoba, und er hat es dabei nicht eilig. Das Warten macht ihm nichts aus. Natürlich würde ich eines Tages gerne ein Enkelkind auf den Knien schaukeln, aber er sagt immer: ›Keine Sorge, Papa. Irgendwann ist es so weit.‹«
    Anfangs hatte sie die Vermutung gehegt, die Anzeige sei eine Idee von Fons gewesen, um seinem Sohn eine Frau zu besorgen, die sie erst testen konnten, um festzustellen, ob sie in die Familie und auf den Bauernhof passte. Aber so etwas hätte Täuschungsmanöver und Berechnung vorausgesetzt, quasi eine Art Komplott, alles Dinge, zu denen Fons kaum in der Lage zu sein schien, trotz seiner schlauen grauen Äuglein, hinter denen sich allerlei Überraschungen verbergen mochten.
    Ihr Häuschen stand fünfzig Meter vom Bauernhof entfernt inmitten eines kleinen Obstgartens, umgeben von einer alten Weißdornhecke, in der eine Vielzahl von Vögeln nistete. Ein märchenhafter Ort. Ursprünglich war es ein Stall gewesen, bis Fons ihn von ortsansässigen Zimmerleuten und Maurern zu einem Ferienbungalow hatte umbauen lassen. Das Haus war aber nie zu diesem Zweck genutzt worden, weil Gertrude starb und Fons sich nicht für Touristen auf seinem Hof erwärmen konnte. Das Schlafzimmer befand sich im oberen Stockwerk, während das Erdgeschoss aus einem großen Raum bestand, der Wohnküche und gemütliche Sitzecke in einem war, mit Bücherregalen und einem Fernseher unterhalb der Fenster, von denen aus man einen Blick auf den Obstgarten und die Schafe hatte. Gegen Abend konnte man dort die Kaninchen unter einem Haufen trockener Zweige hervorkommen sehen. Die Kühe weideten etwas weiter entfernt auf dem tiefer gelegenen Stück Land mit den sumpfigen Stellen, rotbraune Limousinkühe, nicht mehr als ein Dutzend. Die Kälber liefen mit den Müttern und wurden mit einem Jahr als Schlachtvieh verkauft. Fons und Frans wären nie auf die

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