Isabelle
meinst du, hätte er reagiert?«, fragte Judith unsicher.
»Ich weiß es nicht.«
Judith zuckte mit den Schultern. »Er wäre zurück nach Hause gekommen … So etwas ist vorher noch nie passiert. Ich weiß nicht, ob er mich angelogen oder mir die Wahrheit gesagt hätte.«
Ich bin nicht die Einzige, die sich in ihrer Fantasie etwas ausmalt, dachte Isabelle. »Du kannst ruhig eine Zigarette rauchen. Ich rauche nicht, aber von ein bisschen Qualm wird der Kleine schon nicht sterben.«
»Der Kleine?«
»Ich würde mich genauso über ein Mädchen freuen, aber ich bin mir sicher, dass es ein Junge wird.«
Judith griff nervös nach ihren Zigaretten und zündete sich eine an. Die Hand, in der sie das Feuerzeug hielt, zitterte. Sie blies den Rauch in Richtung des Gasofens, weg von Isabelle, und fragte: »Würdest du mir jetzt bitte einfach nur mal kurz zuhören?«
»Willst du mir jetzt erklären, warum du hier bist?«
»Als mir dieser Detektiv berichtete, dass du schwanger bist …«
»Ich nehme es dir nicht übel, dass du einen Detektiv auf mich angesetzt hast.«
»Gut, aber ich wollte … na schön. Ich muss akzeptieren, dass es etwas Besonderes war. Sonst wäre ich nicht hier.« Judith suchte mit der Hand, in der sie die Zigarette hielt, ihre andere Hand, Rauch stieg in Kringeln nach oben, während sie mit dem Daumen und dem Ringfinger, wahrscheinlich unbewusst, Bens Trauring drehte. »Ich habe mir immer Kinder gewünscht. Ich dachte, Ben könne keine Kinder zeugen. Weil ich vor langer Zeit einmal habe abtreiben lassen, dachte ich, es läge nicht an mir und ich könnte ganz normal schwanger werden.«
Isabelle verkniff sich eine Bemerkung. Sie versuchte, die Vorstellung von Ben und Judith zusammen im Bett zu verdrängen.
»Deshalb dachte ich erst, es könne nicht von Ben sein«, gab Judith zu. »Aber ich habe mich untersuchen lassen, und das Ganze war sehr unerfreulich. Es lag also tatsächlich an mir. Ich habe …« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist ja auch egal, aber auf jeden Fall steht fest, dass ich keine Kinder bekommen kann. Dagegen geht aus den Laborbefunden im Zusammenhang mit der Autopsie hervor, dass bei Ben alles in Ordnung war.« Ihre Lippen zitterten. »Ich habe Ben geliebt, verstehst du? Ich würde mir nichts mehr wünschen als ein Kind von ihm.«
Isabelle spürte, wie ihr Herz klopfte. »Was meinst du damit?«
»Ich würde es gerne adoptieren«, sagte Judith heiser.
»Das Kind ist nicht zur Adoption freigegeben«, erwiderte Isabelle bissig.
Judith zog an ihrer Zigarette und schaute Isabelle so angespannt an, dass sie nicht mehr an den schädlichen Rauch dachte. »Denk gründlich darüber nach«, sagte sie. »Du bist mutterseelenallein, du bist unverheiratet, du hast kein Geld, du könntest kaum für das Kind sorgen.« Sie deutete mit einer Handbewegung um sich herum. »Bei mir dagegen bekäme er alles, was er braucht.«
»Er gehört mir.«
Judith flüsterte: »Nein, er gehört auch mir, der Kleine ist das Kind, das ich hätte, wenn ich nicht so dumm gewesen wäre …« Sie dachte an ihre Angst vor Ärzten, ihren Stolz, ihre Ichbezogenheit und ihre verdammte Überzeugung, dass die Fehler immer nur bei anderen lagen.
Isabelle legte in einer unbewusst schützenden Gebärde die Hände um ihren Bauch. »Ich will versuchen, mich zu beherrschen«, sagte sie. »Am liebsten würde ich jetzt sagen, dass du machen sollst, dass du hier rauskommst, aber ich gebe mir die größte Mühe zu verstehen, wie schlecht es dir geht und dass du eifersüchtig auf mich bist. Du bist doch selbst schwanger gewesen, hast du gesagt. Dann müsstest du doch wissen, was das für eine Frau bedeutet.«
»Ich war noch sehr jung, und es war ein Unfall«, verteidigte sich Judith. »Ich war kaum erst in der vierten Woche, ich habe nichts davon gemerkt.«
Isabelle seufzte. »Sonst würdest du mir so was auch nicht vorschlagen«, sagte sie. »Warum adoptierst du kein Kind aus der Dritten Welt?«
»Ich will nur ein Kind von Ben.«
»Das gehört aber mir.«
»Wenn du es mir gibst, soll es nicht umsonst sein.«
»Ach? Du willst es kaufen?« Isabelle konnte es nicht verhindern, dass ihre ganze Verachtung in ihrer Stimme mitschwang. Allmählich fand sie die ganze Angelegenheit ein bisschen lächerlich. »Du meinst also, dass du mich quasi im Nachhinein als Leihmutter engagieren willst? Hilft dir das, damit umzugehen, dass ich mit deinem Mann geschlafen habe?«
»Bitte hör auf«, sagte Judith. »Damit habe ich mich schon
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