Isabelle
was an.«
»So schlafe ich immer.« Sie kicherte. »Daran müsstest du dich doch noch erinnern.«
»Ich erinnere mich an gar nichts.«
Nel war sexy und verführerisch, und er wusste nicht mehr so recht, was ihr den besonderen Status verlieh, die einzige verführerische junge Frau zu sein, mit der er im Bett liegen konnte, ohne mit ihr Sex zu haben. Sie rutschte näher an ihn heran, schob freundschaftlich die Hand unter seinen Schlafanzug und fuhr mit den Fingerspitzen über seine Brusthaare, sodass er noch unsicherer wurde, was ihren Status betraf, genauso unsicher wie beim ersten Mal. Damals war er einfach nur betrunken gewesen, aber diesmal war er absolut nüchtern. Er versuchte, an andere Dinge zu denken, weil er Angst hatte, dass sein besonderes Verhältnis zu Nel einen irreparablen Schaden erleiden würde, wenn er sich jetzt umdrehte.
»Worüber amüsierst du dich denn so?« Er spürte ihren warmen Atem auf seinem Rücken, während sie sprach.
»Über die unsinnige Vorstellung, wenn man älter wird, fiele es einem auch leichter, auf seinen Verstand zu hören.«
»So was macht Leute langweilig«, sagte Nel. »Lass uns wenigstens ausmachen, dass wir ein romantisches Sexwochenende in Zeebrugge oder so verbringen, falls wir beschließen sollten, uns zu trennen.«
»Uns zu trennen?«
»Ja, weil ich einen spanischen Stierkämpfer heirate oder du nach Finnland ziehst, das könnte doch passieren?«
Max grinste. »Ich hoffe, dass ich es bis dahin aushalte.«
Sie schwieg eine Weile und hielt ihre Hand still, sodass seine Erektion nachließ und er beinahe einschlief. Das ist die höchste Form der Intimität, dachte er ein wenig bitter.
»Ich weiß noch nicht mal, wie sie hieß«, sagte Nel.
»Ingrid«, antwortete er.
»Wie lange warst du mit ihr verheiratet?«
»Zwölf Jahre, die wir hauptsächlich im Kriegszustand verbracht haben.«
»Hattet ihr keine Kinder?«
»Doch, einen Sohn. Er lebt in Neuseeland, ich habe kaum Kontakt zu ihm. Ich bin kein guter Vater. Jeremy war zehn, als das Unglück passierte, und ich glaube, er hat mich in gewisser Weise dafür verantwortlich gemacht.«
»Und, konntest du etwas dafür?«
Er drehte sich auf den Rücken. »Ich weiß es nicht«, sagte er in die Dunkelheit hinein. »Man könnte natürlich sagen, ich war ihr Ehemann, also war ich dafür verantwortlich.«
Sie unterbrach ihn. »Ich meine nicht im Freud’schen Sinne, sondern auf die Art schuldig, für die sich die Polizei interessieren würde.«
»Jeremy war damals zehn Jahre alt. Er war zu Besuch bei Ingrids Schwester, und wir wollten zum ersten Mal seit zehn Jahren zu zweit in Urlaub fahren. Wir hatten uns vorgenommen, uns nach Kräften zu bemühen herauszufinden, ob es noch irgendetwas auf der Welt gab, worüber wir uns einig werden konnten. Ingrid hatte die Koffer gepackt und ins Auto geladen und rief mich an, dass sie mich von der Dienststelle abholen käme. Ich hätte es ihr verbieten müssen, obwohl sie sich wahrscheinlich nicht darum gekümmert hätte. Sie hatte gerade erst ihren Führerschein gemacht, und wir hatten so einen alten Renault Fregate, viel zu groß für sie, sie war noch nie damit gefahren.«
Nel lag still, die Hand noch immer unter seinem Arm hindurch auf seine Brust gelegt.
»Es passierte ganz in der Nähe der Dienststelle, unten hörte man den Knall. An einer Kreuzung. Vielleicht ist sie aufs Gas getreten anstatt auf die Bremse. Sie kam gerade so an die Pedalen dran, wahrscheinlich wusste sie noch nicht einmal, wie man den Sitz verstellen musste. Sie rammte in voller Fahrt die Flanke eines Tanklastwagens, schob sich halb darunter und musste herausgesägt werden.« Er schwieg einen Moment und überlegte sich, dass er die Geschichte besser zu Ende erzählen sollte. »Was ich sagen wollte, ist, dass ich mir davor oft gewünscht hatte, sie würde bei einem Unfall ums Leben kommen. Ich dachte, ich würde mich erleichtert und befreit fühlen, wenn sie plötzlich aus meinen Leben verschwinden würde. Ich kann das sogar noch gedacht haben, als ich zur Unfallstelle rannte, aber als ich sie in dem Autowrack sah, war alles ganz anders. Um eine Schuld im juristischen Sinne geht es also nicht, aber ich war zutiefst erschüttert, weil sich mein Wunsch erfüllt hatte und weil ich die Wirklichkeit nicht ertragen konnte.«
»Hast du deshalb den Dienst quittiert?«
»Einen Monat später führten wir in einem besetzten Haus, in dem Drogen verschnitten wurden, eine Razzia durch. Ich kriegte eine Kugel ab.
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