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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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»Ich habe keinen Sherry im Haus, den trinken Sie ja vermutlich um diese Uhrzeit. Nur Tee oder Portwein.«
    »Dann bitte ein Gläschen Portwein, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, antwortete Judith demütig, als akzeptiere sie die Zurechtweisung. »Darf ich Isabelle sagen?«
    »Von mir aus, dann sage ich Judith zu dir.« Isabelle bedeutete ihr, sich aufs Sofa zu setzen, holte den Portwein und schenkte zwei Gläser ein. Sie setzte sich in den Armsessel mit der geraden Rückenlehne, den sie neben ihren Schreibtisch geschoben hatte und in dem sie momentan am bequemsten saß. Sie trank einen Schluck von dem Portwein. »Warum bist du hergekommen?«
    »Ist Alkohol denn nicht schädlich?«
    Judith gab sich alle Mühe, nicht auf Isabelles Bauch zu schauen, denn sie spürte, wie sie aus dem Gleichgewicht geriet. Sie hatte sich längst mit dem Gedanken abgefunden gehabt, dass sie und Ben keine Kinder bekommen konnten. Es gab noch so viele andere Dinge in ihrem Leben. Aber jetzt war Ben nicht mehr da, und sie saß zwei Meter von Bens Kind entfernt. Sie hätte einfach aufstehen und es berühren können, und nur die Bauchdecke des Mädchens wäre zwischen ihnen. Dadurch wurde etwas in ihrem Inneren ausgelöst, in ihrem eigenen Bauch.
    Isabelle zeigte mit einem Nicken auf ihren Schreibtisch. »Möchtest du meine Schwangerschaftsbroschüren lesen?«
    Judith zuckte zusammen und sagte nervös: »Ich bin nicht als Feindin gekommen.«
    »Warum denn dann?«
    Judith stotterte: »Ich war neugierig. Ich wollte wissen, wer du bist, dich kennen lernen.«
    »Damit hast du aber lange gewartet.«
    »Stimmt.« Judith unterbrach sich wieder und suchte in ihrer Tasche nach Zigaretten. »Aber jetzt ist es etwas anderes.«
    Zum Teufel mit dir, dachte Isabelle. »Weil ich schwanger bin?«
    Judith errötete und zog eine Zigarette halb aus der Packung heraus, schaute Isabelle an und steckte sie hastig wieder zurück. »Bist du sicher, dass es von Ben ist?«
    Isabelle schwieg, um sich ihre Antwort gründlich zu überlegen, und um sich darüber klar zu werden, ob sie ihr die Frage übel nehmen sollte oder nicht. »Ich will versuchen, höflich zu bleiben«, sagte sie schließlich. »Du bist nicht die Einzige, die glaubt, ich ginge mit den halben Niederlanden ins Bett. Ich habe sogar aus diesem Grund meine Arbeitsstelle verloren.«
    »Das tut mir Leid«, sagte Judith. »Bitte entschuldige, aber die ganze Sache war wirklich ein ziemlich harter Schlag für mich.«
    Das klang so aufrichtig hilflos, dass Isabelle einen Anflug von Mitleid verspürte und auch ihr Gewissen sich regte. Sie hatte inzwischen so viel Abstand zu den Geschehnissen, die Affäre mit Ben war so lange her, dass sie sich manchmal kaum noch an sein Gesicht erinnern konnte. Sie konnte sich nicht vorstellen, was aus ihrem Leben geworden wäre und wie Ben auf ihre Schwangerschaft reagiert hätte. Manchmal malte sie es sich noch in ihrer Fantasie aus, in allen Tonarten, Dur und Moll, von Schreckensszenarien bis hin zum großen Glück, von der kleinen Wohnung, dem Dasein als Mätresse, den erniedrigenden geheimen Verabredungen und den gestohlenen Nächten bis zur fröhlichen Hochzeit, weil sich Judith als Xanthippe erwies, die die Scheidung verdient hatte. Aber nun saß ihr Judith gegenüber, und kein Mensch war ausschließlich Xanthippe oder Eiskönigin.
    »Das verstehe ich«, sagte Isabelle. »Ja, es muss ein harter Schlag für dich gewesen sein.«
    »Ich weiß nicht recht, wie ich es in Worte fassen soll«, sagte Judith mit gesenktem Kopf. »Warum wolltest du das Kind behalten?«
    Weil es von Ben ist, dachte Isabelle. Weil ich nie auf eine andere Idee gekommen wäre. »Ich glaube, das kann ich dir nicht erklären«, antwortete sie.
    Judith nickte. »War es etwas so Besonderes?«
    Ja, dachte Isabelle. Das ist das Einzige, dessen ich mir sicher bin, dass es etwas Besonderes war, etwas, womit man einer Ehefrau nur wehtun konnte. Ihr wurde bewusst, dass sie keinerlei Grund dazu hatte, eine Frau zu quälen, die ihren Ehemann verloren hatte und nicht nur den Liebhaber einer einzigen Nacht.
    Sie sah, wie es in Judiths Augen verräterisch glitzerte, und sie sagte: »Es tut mir Leid. Mein Kopf war wie leer gefegt, es ist einfach so passiert, ich habe auch nicht an dich gedacht, aber ich bin mir sicher, dass Ben nicht die Absicht hatte, dir wehzutun.« Sie holte tief Luft. »Du hast mehr verloren als ich. Das weiß ich sehr wohl. Und auch, dass wir hier nicht sitzen würden, wenn Ben noch lebte.«
    »Wie,

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