Isabelle
Ranken festklammerten, und durch das offene Tor auf das friedliche, erwartungsvolle Treiben rund um die Weinkellerei. Fässer wurden desinfiziert, bevor man den vergorenen Wein hineinfüllte, und stechender Schwefelgeruch wehte durch das Tor.
»Das ist schon was anderes als Amsterdam«, sagte er. »Ich könnte mir gut vorstellen, Winzer zu werden.«
»Aber ich würde mir eine andere Appellation contrôlée aussuchen. Hier verirrst du dich nur zwischen dem Natterngezücht von Mauriac«, bemerkte Nel erstaunlich literarisch.
Max grinste. » Fuck Mauriac«, sagte er. »Ich habe noch eine hübsche Überraschung für dieses Weib in petto.«
11
Es stellte sich heraus, dass der Abfüllbetrieb sowie das Lager und die Auslieferung des Weinhauses Lafont & De Busselaer schon vor zehn Jahren in ein Industriegebiet am linken Ufer der Scheide umgezogen waren, wo sie für die Tanklastwagen und Lkws besser erreichbar waren als in der Antwerpener Innenstadt. Die Geschäftsräume hingegen waren in dem früheren Gebäude an der Leopoldstraat geblieben, über einem altehrwürdigen Weingeschäft mit demselben Namen wie die Firma. Die Verwaltungsbüros hatten einen eigenen Eingang. Im Erdgeschoss ging man auf einen kleinen, schlichten Empfangsschalter zu. Daneben führte eine terrakottarot geflieste Treppe mit einem auf Hochglanz geputzten Geländer nach oben, an der Wand eine Gemäldegalerie mit den Porträts betagter belgischer Herren.
Eine junge Belgierin mit zu großer Nase meldete, Meneer Lafont sei nicht zugegen.
»Aber seine Frau versicherte uns, er sei in Antwerpen«, sagte Max. »Sie hat uns gebeten, in einer geschäftlichen Angelegenheit bei ihm vorbeizuschauen.«
»Er ist in Antwerpen, aber er kommt meistens nur morgens ins Büro, ansonsten hat er andere Termine …«
»Könnten wir vielleicht mit Meneer De Busselaer sprechen?«, fragte Max.
Sie lächelte. »Der alte Herr hat sich schon lange zur Ruhe gesetzt. Seine Tochter führt inzwischen die Geschäfte, Mevrouw De Goede. Bestimmt kann sie sich einen Moment Zeit für Sie nehmen …« Das Mädchen griff zum Telefon.
»Augenblick bitte«, sagte Max. »Können wir Meneer Lafont vielleicht in seinem Hotel erreichen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er hat hier eine Privatunterkunft, eine Wohnung an der Britselei. Soll ich ihn für Sie anrufen?«
Sie drückte auf eine Speichertaste, bevor Max etwas erwidern konnte. In einer gefälligen Geste warf sie ihre blondierten Haare nach hinten und lauschte in den Hörer.
Sie bedeckte das Mundstück. »Der Anrufbeantworter. Soll ich eine Nachricht draufsprechen?«
Max schüttelte den Kopf, und sie legte auf. »Geben Sie uns einfach seine Adresse und seine Telefonnummer, dann versuchen wir es später von unserem Hotel aus noch mal«, sagte er.
Das Mädchen notierte die Angaben auf ein Stück Papier, faltete es in der Mitte zusammen und reichte es Max. »Möchten Sie Mevrouw De Goede trotzdem noch sprechen?«
»Gern«, sagte Max.
Während das Mädchen telefonierte, zog Nel ihn zur Tür. »Gib mir mal seine Adresse«, sagte sie in gedämpftem Ton.
Er drückte sie ihr in die Hand. »Es wäre prima, wenn du etwas mit seinem Telefon anstellen könntest.«
»Dann muss ich ans Auto, ich brauche meine Sachen.«
Max gab ihr die Autoschlüssel. »Ich nehme mir gleich ein Taxi. Aber kein Risiko eingehen. Wenn er zu Hause ist, Finger weg.«
Sie nickte. »Wir treffen uns dann im Hotel.«
»In welchem Hotel?«
Nel stopfte das Papierchen in den Mantel mit dem mottenzerfressenen Kaninchenfellkragen. »In der Meistraat gibt es ein Ibis-Hotel, ganz in der Nähe der Britselei.«
»Zwei Zimmer.«
»Ich glaube, das Hotel hat keine Heizung.« Nel kicherte, drehte sich um, und der Mantel über den schwarzen Jeans und den Sneakers flappte ihr um die Oberschenkel, als sie zu Tür hinausschwebte.
»Sie können jetzt zu ihr«, sagte die Empfangsdame. »Wenn Sie die Treppe hinaufgehen, ist es das Büro am Ende des Flurs.«
Max dankte ihr und ging nach oben. Zu beiden Seiten des Flurs befanden sich Büros mit zur Hälfte verglasten Türen. Angestellte arbeiteten an Computern und Telefonen, umringt von Grafiken, Tabellen und romantischen Postern von Weinbergen. Die Tür am Ende bestand aus solidem Eichenholz. Max klopfte und trat ein.
Er kam in ein geräumiges Büro mit zwei Fenstern zur Straßenseite, schweren belgischen Möbeln, drei mannshohen Ficusbäumen, einem Konferenztisch und einem Teakholzschreibtisch überhäuft mit Mappen und
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