Isabelle
sagte er. »Ich muss hier unbedingt mal lüften, bevor meine Frau nach Hause kommt. Der Wintergarten ist hauptsächlich ihr Werk, ihr Bereich, außer dem komischen Clantonwein da.« Er wies mit einem Nicken auf einen Weinstock, an dem hier und da eine Traube kleiner, fast schwarzer Weinbeeren hing. »Das ist eine sehr alte Rebsorte, die irgendwann verboten wurde; sie konnte zum Wahnsinn führen. Vor fünfzehn Jahren habe ich einen Steckling im Wohnwagen rausgeschmuggelt, als wir in den Cevennen waren. Das ist auch vorbei, mit dem Wohnwagen in Urlaub. Jetzt warten wir nur noch auf Godot.« Damiaan ließ ein kurzes Kichern hören. »So nenne ich ihn da oben manchmal. Ich hätte nie gedacht, dass er Raymond früher besuchen würde als mich.«
»Ich bin in Nuits Saint Georges gewesen, auch bei seiner Schwiegertochter …«, begann Max.
Damiaan unterbrach ihn mit einem abfälligen Laut. »Du willst mir doch wohl nicht weismachen, Christine Lafont hätte dich zu mir geschickt.«
»Manchmal denke ich mir die merkwürdigsten Geschichten aus, um irgendwo reinzukommen«, bekannte Max.
Damiaan grinste. »Christine kann mich nicht leiden. Ich war ein Freund ihres Schwiegervater, und den verabscheute sie noch mehr. Ich bin einmal bei ihnen zu Hause gewesen, als ich Raymond besuchte.«
»Im Krankenhaus?«
»Ja, letztes Jahr im November. Ich bekam einen Brief von Raymond, und daraufhin habe ich mir ein Auto mit Chauffeur geliehen und mich hinfahren lassen. Anderthalb Monate vor seinem Tod. Ich hoffe, dass es ihm bei Godot besser geht.«
»Wussten Sie von dem geänderten Testament?«
»Ich habe ihm sogar dazu geraten. Er konnte an nichts anderes mehr denken. Ich habe zu ihm gesagt, Mann, du hast doch nichts zu verlieren. Du kannst doch zumindest versuchen, etwas wieder gutzumachen. Ein Mann soll ja nicht weinen, aber ich kann dir sagen, mir ist das Herz gebrochen, als ich ihn dort so liegen sah.« Damiaan wandte den Blick ab. »Er war nur noch ein Schatten seiner selbst.«
Max schwieg für einen Moment. Die Hausangestellte kam in den Wintergarten und fragte, ob sie etwas trinken wollten. Damiaan bestellte ein Pils und Max schloss sich ihm an. Die Hausangestellte warf einen strafenden Blick auf die Zigarre, wagte es aber offensichtlich nicht, ohne die Frau des Hauses an ihrer Seite eine Bemerkung darüber zu machen.
»Ihre Tochter sagte, dass Didier eventuell hätte liquidieren müssen, wenn es weitere Erben gegeben hätte, und dass dies Ihrem Vorhaben entgegengekommen wäre, ihm seinen Firmenanteil abzukaufen.«
»Wir sind zwar in erster Linie Geschäftsleute«, sagte Damiaan. »Aber das war nicht der Grund, warum ich Raymond zu diesem Testament geraten habe. Das ist genau das, was ich meine. Man kann Geschäfte machen und trotzdem ein bisschen höflich und ein bisschen menschlich und freundlich miteinander umgehen. Der Kunde ist König. Das verlieren wir manchmal aus den Augen.«
»Sie meinen Didier?«
Damiaan blies Rauch aus. »Er ist anders als sein Vater. Wir waren Freunde, das machte die Sache von vornherein leichter. Aber Marleen und Didier sind nie Freunde geworden. Marleen ähnelt mir, hoffe ich.«
»Aber Didier nicht Raymond?«
Damiaan richtete seine kleinen Augen forschend auf Max. »Mir ist nicht klar, worauf du hinauswillst.«
Max griff nach seinen Gauloises und schaute den alten Mann fragend an. Damiaan nickte. Max zündete sich eine Zigarette an.
Die Hausangestellte trug ein Silbertablett mit zwei Gläsern Pils und einem Schälchen Erdnüssen in den Wintergarten und stellte es auf den Rattantisch.
»Bitte schön«, sagte sie und verschwand wieder.
»Das mit den Erdnüssen macht sie nur, um mich zu ärgern.« Damiaan tippte auf seinen Mund. »Ich habe da so ein Inlay drin, da setzen sich die Krümel von den Dingern überall rein.«
Max sagte: »Ich dachte bloß, dass Raymond bestimmt nicht wollte, dass sein Sohn ermordet wird, als er dieses Testament aufsetzte.«
Damiaan reichte seitlich nach den Büchern und Zeitschriften auf einer unteren Ablage des Rattantischchens und zog eine Rolle trockenen runden Zwieback hervor. Er knibbelte an der Verpackung herum. »Didier macht auf andere Weise Geschäfte als wir«, sagte er bedächtig. »Er wird keinen Umweg machen, wenn er geradeaus gehen kann. Aber ich weiß nicht, ob er den geraden Weg wählen würde, wenn ihm sein Halbbruder im Wege stünde. Der Mord hing doch mit einer Sache in Amerika zusammen?«
»Davon geht man aus.« Max griff nach seinem Glas
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