Isabelle
hat sich der Richter zufrieden gegeben.«
Und Didier köpft eine Flasche Champagner, dachte Max.
»Haben Sie den Brief der ersten Ehefrau noch?«, fragte Nel.
»Nein.« Er lächelte. »Den hätte ich Ihnen sowieso nicht zur Einsicht geben können. Ich bin Ihnen gerne in jeder Hinsicht behilflich, aber das wäre ein Vertrauensbruch.«
Nel erwiderte zweideutig sein Grinsen. Sie blickte verwundert zur Seite, als Max sich mit den Händen auf die Knie schlug und aus seinem tiefen Sessel aufstand. »Nun«, sagte Max. »Sie haben uns sehr geholfen, und ich glaube, dass wir den Fall jetzt abschließen können. Ich danke Ihnen, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.«
Der Notar stand ebenfalls auf. Max streckte ihm die Hand hin. »Vielleicht fahren wir der Vollständigkeit halber noch einmal bei dem Rechtsanwalt in Antwerpen vorbei. Seine Name ist doch De Canter, richtig?«
»Nein, das ist der Name des Mannes, der die Nachforschungen für ihn durchführte. Der Rechtsanwalt heißt Julius Bocken. Warten Sie, ich gebe Ihnen seine Adresse.«
Nel schaute Max fragend an, während der Notar die Adresse heraussuchte und sie auf der Rückseite einer Visitenkarte notierte. Er reichte sie Max und hielt wieder Nels Hand fest, während er sich nach Kräften bemühte, nicht allzu auffällig in ihre Bluse zu starren. »Bleiben Sie noch lange in Nuits Saint Georges? Morgen beginnt hier eine Weinwoche, mit Ausstellungen und Weinproben …«
»Nein, wir müssen sofort wieder zurück«, sagte Max streng.
»Ich liebe Wein«, sagte Nel. »Aber mein Chef ist ein schrecklicher Tyrann.«
Das Maison de Maître der Lafonts lag inmitten von welligen, bereits abgeernteten Weinbergen außerhalb der kleinen Stadt, am Ende einer langen Auffahrt, die von zwei kerzengeraden Reihen hoher Zypressen gesäumt wurde. Es war ein würdevolles, romantisches Gebäude aus altem Gestein, mit hohen venetianischen Fensterflügeln und schmiedeeisernen Balkonen, einem Portal, das von zwei Sandsteinsäulen getragen wurde, und einer von niedrigen, geraniengeschmückten Mauern umgebenen Terrasse mit weißen Gartenmöbeln sowie einer Dame mit weißem Hut, Sonnenbrille und kariertem Plaid über den Knien, der gerade von einem Dienstmädchen in schwarzem Kleid und weißer Schürze Tee serviert wurde. An den Wänden blühten noch Kletterrosen, und die sorgfältig gepflegten Rasenflächen waren mit Reihen von Lavendelsträuchern abgesetzt. Durch ein offenes Gewölbetor, zwischen Bäumen und Sträuchern hindurch, konnten sie die massiven Gebäude der Weinkellerei erkennen, in die gerade aus einem Lastwagen Holzfässer hineingerollt wurden. Die nostalgische Atmosphäre des alten Burgund lag in der Luft, geschwängert von den süßlichen Gerüchen der gärenden Trauben und der Erwartung neuer hervorragender Weine.
Die Frau auf der Terrasse lupfte ihre Sonnenbrille, als sie den ankommenden BMW auf dem Kies und danach die zuschlagenden Wagentüren hörte. Sie sagte etwas zu ihrem Dienstmädchen, rückte die Sonnenbrille wieder zurecht und blätterte weiter in ihrer Zeitschrift. Das Mädchen kam auf Max und Nel zu.
Max stellte sich vor und fragte nach Monsieur Lafont. Das Mädchen erklärte, Monsieur halte sich die ganze Woche über in Antwerpen auf und werde erst am Sonntag wieder zurückerwartet.
»Geschäfte im Weinhaus?«, fragte Nel.
Das Mädchen schaute sie an und legte eine Pause ein. »Unter anderem«, antwortete sie dann. Es klang wie eine Indiskretion.
»Könnten wir dann vielleicht Madame Lafont kurz sprechen?«, fragte Max.
»Sie trinkt gerade ihren Tee.«
»Das passt ja gut«, sagte Max.
Sie folgten dem Mädchen zur Terrasse. Madame Christine Lafont erklärte sich bereit, ihre Fragen zu beantworten, aber mit sichtbarem Widerwillen. Sie stand nicht auf, als sie sich ihr vorstellten, sondern reichte ihnen im Sitzen die Hand, die sich anfühlte wie ein lahmer Möwenflügel.
»Maître Longueteau hat mich bereits vorgewarnt, dass Sie eventuell vorbeikommen würden«, erklärte sie in gebrochenem Englisch. »Sprechen Sie kein Französisch?«
»Je me débrouille«, antwortete Max, »so einigermaßen. Ich habe in meiner Jugend ein paarmal im Herault bei der Traubenernte geholfen. Der Wein war weniger erstklassig als der Ihre, aber meinem Französisch hat es gut getan.«
Das schien sie kaum zu interessieren. »Mein Mann ist nicht da, und ich habe kein Bedürfnis, über die Sache zu reden.«
»Welche Sache?«, fragte Max.
»Das Testament, deshalb sind Sie
Weitere Kostenlose Bücher