Isarblues: Der dritte Fall für Max Raintaler (German Edition)
höllisch scharf zugleich. Sie hatte ihre
langen blonden Locken zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr nach vorne über die
rechte Schulter hing und einen knallroten Lippenstift aufgelegt. Ihre großen eisblauen
Augen strahlten wie zwei taghelle Halogenscheinwerfer in die Welt.
»Irene!
Ja, hallo. Natürlich ist hier frei.« Er grinste ihr freimütig ins himmlische Antlitz.
Na, so was. Was wollte die denn hier, Herrschaftszeiten? Sie setzte sich ihm gegenüber,
nahm eine Zigarette aus dem silbernen Etui, das sie gerade aus ihrer Handtasche
geholt hatte und zündete sie an.
»Du warst
ja ziemlich schnell verschwunden heute Morgen. Hast du unsere Nacht etwa bereut?«,
fragte sie, nachdem sie mit zurückgeworfenem Kopf die erste dicke Rauchwolke in
die warme Luft über ihnen geblasen hatte. Ein leicht bitterer Zug, den Max bisher
noch gar nicht an ihr bemerkt hatte, umspielte ihren Mund. Wollte sie ihm gerade
etwa Vorwürfe machen? Jetzt schon? Oha. Aufgepasst.
»Unsere
Nacht bereut? Um Himmels willen, nein! Wie kommst du denn bloß darauf?« Er hob abwehrend
die Hände und schüttelte eilig den Kopf. »Ich wollte dich nur nicht wecken«, fuhr
er fort. »Du hattest gesagt, dass du heute blau machen würdest. Und da dachte ich,
dass du bestimmt ausschlafen willst.« Die Kurve hatte er perfekt gekriegt. Das nannte
man wohl lügen in lupenreinster Perfektion. Wozu hätte er ihr auch sagen sollen,
dass ihn sein schlechtes Gewissen aus ihrer Wohnung getrieben hatte, und dass er
sich gar nicht sicher gewesen war, ob er sie nicht besser gleich wieder vergessen
sollte? Das hätte doch niemandem weit und breit etwas gebracht.
»Na, da
bin ich aber froh. Ich dachte schon, du willst mich nicht wiedersehen.« Sie lächelte
sichtlich erleichtert, beugte sich zu ihm hinüber und gab ihm ein Küsschen auf die
Wange. Dann setzte sie sich wieder.
»Aber wie
kommst du denn bloß auf so was, Irene?«, legte er mit grandios gespielter Empörung
noch einmal nach. »Ich hätte dich spätestens morgen Früh angerufen. Heute war einfach
zu viel zu tun. Franzi und ich wollten gerade nur noch ein kleines Feierabendbierchen
trinken und dann geht es ab in die Falle. Ich stecke die langen Nächte einfach nicht
mehr so gut weg wie früher.« Dass es eher sein immer noch schmerzender Kopf war,
der ihm gerade Probleme bereitete, wollte er ihr nicht auf die Nase binden. Es hätte
nur nervende Fragen nach sich gezogen.
»Aber ihr
trinkt schon noch was?«
»Logisch.
Franzi ist gerade zur Schenke gegangen. Soll ich dir auch eine Maß holen?« Er erhob
sich flink von seinem Platz.
»Setz dich
wieder. Ich gehe schon selbst. Danke, Max.«
Sie stand
auf, winkte Franz zu, der ihr gerade entgegen kam und verschwand in der Menge, die
sich vor der grün lackierten Schankbude zum Flüssigkeitsempfang versammelt hatte.
»Da haben
wir ja netten Besuch bekommen«, meinte Franz grinsend, sobald er wieder saß.
»Kann man
sagen. Heute Nacht war ich übrigens mit bei ihr. Bloß kein Wort davon, dass ich
kein Journalist bin. Ich sage es ihr morgen selbst. Aber erst nachdem ich bei Holzer
und Nagel war. Ich will da einfach ganz sicher gehen. Nicht, dass sie am Ende auf
mich angesetzt ist und mich doch noch verrät.« Max blickte seinen alten Freund und
Exkollegen eindringlich an.
»Alter Schlawiner.
Verständlich, dein Misstrauen, wenn man sich all die netten Menschen anschaut, die
wir verhaftet haben«, räumte der ein. »Weil sie am Ende doch nicht so nett waren,
wie sie zuerst aussahen. Aber ist das ihr gegenüber nicht etwas übertrieben? Sie
wirkt total ehrlich und freundlich auf mich.«
»Bald erfährt
sie es ja sowieso. Und jetzt Ruhe! Sie kommt.«
Irene näherte
sich dem Tisch mit einer dampfenden Tasse Kaffee statt einer Maß Bier in der Hand.
»Schließlich
muss ich morgen arbeiten«, rechtfertigte sie das unverzeihliche Sakrileg, als sie
sich setzte, noch bevor einer der beiden eine entsprechende Bemerkung abschießen
konnte. »Da ist heute mal Pause mit dem Bier. Sonst komme ich bloß wieder nicht
aus dem Bett.«
»Logisch,
Irene. Sehr gut«, bestärkte Max sie in ihrem weisen Entschluss. Er und Franz heuchelten
eine Weile lang simultan grinsend und bedeutsam mit dem Kopf nickend tiefstes Verständnis
und schauten dann mindestens ebenso tief in ihre Maßkrüge. »Sag mal, Irene. Wo ich
dich gerade da habe.« Er stellte seinen Krug wieder ab und wischte sich mit dem
Handrücken den Mund trocken. »Könntest du mir für morgen Mittag noch mal
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