Isarbrodeln
Bei Max war das etwas anderes. Seine Verwandten waren alle tot. Und jetzt auch noch sein bester Freund. Dafür hat er mich und seine Frau Bauer, dachte sie. Wir kümmern uns schon um ihn. Und Giovannis Mörder findet er auch. Ganz bestimmt.
18
»Und? Was hat er gesagt?«
»Sie werden lachen, Herr Raintaler. Nichts. Er hat nichts gefunden. Er meinte, dass ich mit meiner Lunge hundert Jahre alt werde. Und dann hat er mir empfohlen, den Hausarzt zu wechseln, wenn der mir so einen ausgemachten Schmarrn erzählt.«
Max hatte einen Spaziergang am Starnberger See gemacht und war gerade im richtigen Moment zurückgekommen, um seine nette, alte Nachbarin von ihrem Termin beim Lungenfacharzt abzuholen.
»Na, das klingt ja hervorragend. Dann fahren wir doch gleich noch auf ein schönes Bier nach Andechs rüber. Was meinen Sie, Frau Bauer? Wenn wir sowieso schon in der Gegend sind …«
»Ja, haben Sie denn noch Zeit?«
»Ich nehme mir die Zeit einfach. Fahren wir?«
»Ja, gerne. Ich glaube, ich war seit zwanzig Jahren nicht mehr dort.« Sie lachte ihn an wie ein junges Mädchen.
Max hatte vorhin nachgedacht. Über seine Pensionierung, sein Verhältnis zu Monika, Giovannis Tod und dann auch noch über sein ungeduldiges Verhalten der alten Frau Bauer gegenüber. Dabei war er zu dem Schluss gekommen, dass er manchmal ein ganz schön ungerechtes Ekel sein konnte. Wie zum Beispiel vorhin, auf der Herfahrt. Das wollte er jetzt wieder gutmachen. Außerdem hatte er den Nachmittag sowieso frei. Wie er bei der Jagd nach Giovannis Mörder konkret weiterverfahren sollte, würde er erst wissen, wenn er zusammen mit Franz in der ›Bar Verona‹ gewesen war. Es sprach also nichts gegen ein schönes Bier im Andechser Klostergarten. Auf dem heiligen Berg, der eigentlich mehr ein kleiner, steiler Hügel ist. Der Aufstieg war deshalb auch eher als harmlos zu bezeichnen. Aber der Rückweg hatte sich hier schon für so manch angetrunkenen Gast zum Problem entwickelt, und wenn es ganz dumm lief, sogar prompt mit einem Beinbruch oder Ähnlichem geendet.
Als sie ankamen, stellte er seinen rostbraunen, alten Wagen auf dem Parkplatz ab, bot ihr seinen Arm an und stieg mit ihr hinauf zum Biergarten. Dort setzte sie sich an einen Tisch in der Sonne und Max holte zwei Maß Bergbock. Ein Nachmittag wie aus dem Bilderbuch. Als er mit dem Bier zurück war, erzählte Frau Bauer aus ihrem Leben. Max hörte ihr mehr oder weniger aufmerksam zu, während er die warme Frühlingssonne und den weiten Blick in die Berge genoss. Als sie eine Stunde später ausgetrunken hatten, ging es auf direktem Weg zurück nach Thalkirchen. Frau Bauer hatte einen kleinen Schwips und sang während der ganzen Fahrt alte Volkslieder. Max war es egal, dass sie die richtigen Töne dabei nur selten traf. Er hatte etwas Gutes getan und einen Menschen glücklich gemacht. Mehr hatte er gar nicht gewollt.
Zuhause half er ihr die Treppen hinauf und verabschiedete sich im Flur von ihr. Sie brauchte etwas länger als gewöhnlich, um ihre Wohnungstür aufzusperren, schaffte es schließlich aber doch.
»Bertram, ich bin wieder da!«, rief sie fröhlich, als sie eintrat. »Stell dir vor, an meinen Lungen ist gar nichts. Morgen suche ich uns einen neuen Hausarzt. Und eine Maß Bergbock getrunken habe ich auch.« Dann zog sie die Tür hinter sich zu.
Max ging ebenfalls hinein und legte sich eine Weile aufs Ohr. Um kurz vor vier wachte er wieder auf. Noch gute vier Stunden, bis er Franz treffen würde. Er beschloss, vorher bei Monika vorbeizuschauen. Vielleicht wusste sie ja etwas Neues über Giovanni. Natürlich würde ihn Clara gleich anrufen, wenn ihr etwas einfiel. Aber so wie die Frauen nun mal sind, kann es doch gut sein, dass sie mehr Vertrauen zu Monika als zu mir hat, dachte er. Auf jeden Fall konnte es nicht schaden nachzufragen. Und einfach kurz Servus sagen und Monika fragen, wie es ihr geht, wollte er obendrein. Er zog einen warmen Pulli über, da es gegen Abend immer noch empfindlich kühl werden konnte, und keine dreißig Minuten später stand er in der kleinen Kneipe seiner Freundin.
»Hey, Max, schön, dass du vorbeischaust«, begrüßte sie ihn mit einem strahlenden Lächeln. »Ich bin auch gerade erst gekommen. War mit Clara und Anneliese Kaffee trinken.«
»Und wie geht es Clara?« Er lächelte ebenfalls. Eigentlich ist es doch höchst angenehm, so begrüßt zu werden. Keine lästigen Fragen darüber, wo du warst oder wen du getroffen hast. Keine über die
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