Isarbrodeln
ganz persönliches Trauma. Er musste sich gewaltig zusammenreißen, um nicht auf der Stelle laut loszuschimpfen. Über die beschissenen Autofahrer, die Scheißbauarbeiter, die Scheißregierung und über seine alte Nachbarin, die ihn letztlich in diese ausweglose Lage gebracht hatte. Mit ihrem saublöden Termin bei diesem saublöden Lungenarzt in Gauting.
Gerade, als er sich eine Viertelstunde später dazu durchgerungen hatte, sich wenigstens in Form eines lautstarken ›verfluchter Dreck, verfluchter‹ Luft zu machen, kam auf einmal wieder Bewegung in die Blechkarawane. Max ließ das Fluchen lieber bleiben und drehte den Schlüssel im Zündschloss. Nichts. Der Motor reagierte nicht. Bitte das jetzt nicht auch noch, flehte er innerlich. Er versuchte es erneut. Wieder nichts. Voller Wut schlug er kräftig mit der Faust gegen die Frontkonsole.
»Scheißteil, verdammtes! Spring endlich an, du Dreckstück!«, schrie er anschließend teils vor Schmerzen, teils aus Wut.
Dann startete er erneut. Und siehe da. Der launische Vierzylinder schnurrte wie ein Kätzchen.
»Aber wer wird denn so schrecklich fluchen, Herr Raintaler.« Frau Bauer schüttelte vorwurfsvoll ihren schmalen Kopf.
»Das müssen Sie schon mir überlassen, Frau Nachbarin«, erwiderte er gereizt. »Und außerdem. Sie sehen ja, dass es hilft. Herrschaftszeiten.«
Wenn sie noch ein Wort sagt, schmeiß ich sie aus dem fahrenden Auto. Erst bringt sie mich in diese beschissene Lage und dann reißt sie auch noch ihr Maul auf. Hoffentlich habe ich mir gerade nicht die Hand gebrochen. Verdammt noch mal. Das tut ja höllisch weh. Kochend vor Wut starrte er auf die ringsumher erblühende Voralpenlandschaft. Und die Scheißblumen machen es auch nicht besser. Dreck, beschissener. Erst als er in die Abfahrt nach Gauting einbog, beruhigte er sich langsam wieder. Alles wird gut. Der Wagen läuft, der Stau ist längst vorbei, meine Hand tut nicht mehr weh und das schönste Frühlingswetter lacht mich an. Also Schluss jetzt mit der Grantelei! Meine alte, wackelige Nachbarin bekommt sonst noch Angst vor mir. Sie kann doch nichts für meine miese Laune und Giovannis Tod. Damit muss ich schon selbst fertig werden. Ich sollte mich lieber auf einen ausgiebigen Spaziergang am Starnberger See freuen, und auf einen schönen Kaffee in irgendeiner sonnigen Gartenwirtschaft.
»So, Frau Bauer. Gleich sind wir da«, brummte er versöhnlich.
»Ach, wie schade. Ich habe die Landschaft gerade so genossen. Ich war schon jahrelang nicht mehr aus der Stadt draußen. Andauernd muss ich mich um meinen Bertram und seine Gesundheit kümmern. Für mich bleibt gar keine Zeit. Vielen Dank für die wunderbare Spazierfahrt, Herr Raintaler. Unser schönes Oberbayern ist halt einfach einmalig auf der Welt.«
Wie seine Bewohner auch, dachte Max.
»Und die Rückfahrt haben wir ja auch noch, Frau Bauer«, versicherte er ihr. »Da können Sie sich dann alles noch einmal von der anderen Seite aus anschauen.«
»Ja? Ach, wie schön!«
17
»Hallo, Clara. Monika hier.«
»Hallo, Monika. Lieb von dir, dass du anrufst.«
»Wie geht es dir?«
»Etwas besser. Nachdem Georg mir so toll geholfen hat, das Begräbnis und die Floßfahrt zu organisieren. Und stell dir vor. Bei dem ganzen Papierkram für das Restaurant will er mich auch unterstützen. Er schickt mir einen seiner Buchhalter vorbei. Ist das nicht furchtbar nett von ihm?«
Die klingt ja wie ausgewechselt. Gott sei Dank kommt sie langsam wieder zu sich. Monika atmete erleichtert auf. Sie hatte sich wirklich große Sorgen um ihre sizilianische Freundin gemacht.
»Ist es, Clara«, antwortete sie. »Georg ist schwer in Ordnung. Das wissen alle. Sag mal, jetzt aber was anderes. Anneliese ist gerade bei mir und wir fragen uns, ob du nachher Lust hättest, mit uns einen Kaffee zu trinken? Am besten irgendwo an der frischen Luft.«
»Sehr gerne, Monika. Dann bin ich nicht so alleine. Ich muss nur noch ein paar Anrufe erledigen. In einer halben Stunde?«
»Gut. Wir holen dich ab. Bis gleich.«
»Bis gleich.« Monika legte auf und drehte sich lächelnd zu Anneliese herum, die neben ihr am Tresen von ›Monikas kleiner Kneipe‹ saß.
»Sie kommt mit«, freute sie sich. »Wir holen sie in einer halben Stunde ab. Wenn du willst, können wir uns schon langsam anziehen und ganz gemütlich rüberlaufen. Ich würde gern in dieses nette Café hinter dem Tierpark gehen. Du weißt schon, bevor es das Hochufer hinaufgeht. Da kann man jetzt bestimmt
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