Isarhaie: Der vierte Fall für Max Raintaler (German Edition)
ein Blatt in der Lendengegend nackte Zierfiguren
der Apfelszene vor der Vertreibung aus dem Paradies nachempfunden waren.
Daneben standen drei bequeme Holzstühle. Offenbar fungierte der großzügige Flur
nicht nur als Besinnungsstätte, sondern auch als Wartezimmer. Der reine
Wahnsinn. Wenn es im echten Paradies genauso aussah, wollte Max nie und nimmer
dorthin. Dann schon lieber direkt in die Hölle. Das hier war einfach nur noch
unerträglich. Aber wirklich.
Eine
leicht übergewichtige Frau mittleren Alters im gestreiften Geschäftskostüm
tauchte wie eine Erscheinung aus der mit Blumen bemalten Tür gleich rechts von
ihm auf. Sie lächelte ihm erleuchtet zu. »Dieser allwissende Engel hier weiß
einfach alles«, raunte sie ihm mit erhobenem Daumen zu, während sie an ihm
vorbeischwebte. »Einfach alles, unglaublich. Glauben Sie mir.« Dann verschwand
sie im Treppenhaus. Max blickte ihr wie hypnotisiert nach. Er hätte nicht genau
sagen können, ob ihre Füße den Teppichboden unter ihm nun berührt hatten oder
nicht.
»Herr
Max Raintaler. Bitte betreten Sie das Zimmer der Weisheit!«, ertönte es kurz
darauf wie aus dem Jenseits. Verwundert blickte Max nach oben. Bisher waren ihm
keine Lautsprecher aufgefallen. Aber als er jetzt noch einmal genauer hinsah,
bemerkte er fünf Stück, ringförmig direkt über dem Eingang an der Decke
angebracht. Sie waren winzig und von bunten Weihnachtslichtern getarnt, aber
groß genug, um den Besucher mit einer geheimnisvollen ›Stimme aus dem Himmel‹
zu beeindrucken.
Er trat
durch die offen stehende Tür, aus der die entrückte Frau gerade gekommen war,
und blieb kurz hinter der Schwelle wieder stehen. Seine Augen brauchten eine
Weile, um sich an die Dunkelheit in dem mit gold- und silberfarbenen Tüchern
verhangenen Raum zu gewöhnen. Dann erkannte er ungefähr drei Meter vor sich
einen kleinen runden Tisch mit einer großen durchsichtigen Glaskugel darauf.
Vor dem Tischchen stand ein stabil wirkender, dunkler Holzstuhl. Dahinter saß
eine schwarzhaarige Frau in einem labbrigen, gold- und silberdurchwirkten
Seidenkaftan mit einem Papagei auf der Schulter. Ihre tiefdunklen Augen
blitzten eindringlich und beinahe furchteinflößend aus ihren üppig
dunkelgeschminkten Höhlen hervor.
»Bitte
nehmen Sie doch Platz, Herr Raintaler.« Das ›heilige Medium Eva‹ deutete auf
den Holzstuhl.
»Danke,
gern«, erwiderte Max. Die perfekte Inszenierung, dachte er. Der gingen bestimmt
jede Menge Leute auf den Leim. Und Maria hatte recht, die Frau machte einem
wirklich Angst. Sie war regelrecht unheimlich. Hatte etwas völlig Irres im
Blick, wie man es sonst nur von Terroristenfotos her kannte.
»So,
so. Der Liebeskummer führt Sie also zu mir, Herr Raintaler.« Sie fixierte ihn
mit einem allwissenden eiskalten Lächeln im Gesicht. »Hat Ihre Freundin oder
Frau Sie verlassen?«
Ȁh,
ja. Kann man so sagen.« Eigentlich hatte Max mit Monika Schluss gemacht. Aber
wenn man die Sache mit Gordon nahm, war es wohl doch eher eindeutig sie
gewesen, die ihre Beziehung bereits vorher beendet hatte. Logisch.
»Wegen
einem anderen?«
»Genau.«
Woher wusste sie das? Er hatte doch noch gar nichts gesagt. Na ja. War wohl
öfter der Fall, wenn jemand mit Liebeskummer ankam.
»Wegen
einem gutaussehenden anderen? Mit einem merkwürdig fremd klingenden Namen?«
»Ja.«
Max bekam eine leichte Gänsehaut. Woher hatte sie das denn jetzt? Gordon war
doch wohl ein fremd klingender Name. Und merkwürdig hörte er sich obendrein an.
Außerdem hatte Monika gemeint, dass er jung war und gut aussah. Oder etwa
nicht? Natürlich. Echt gruselig.
»Kann
es sein, dass Sie in den Jahren zuvor oft untreu waren?«
»Na ja.
Nicht so direkt. Wir hatten immer eine lockere Beziehung, in der jeder machen
durfte, was er wollte. Moni wollte das so.«
»Moni?
Ist das die Frau?«
»Ja, so
heißt meine Freundin. Äh, hieß, besser gesagt.« Max begann zu schwitzen. Die
Sache hier lief langsam aus dem Ruder. War er gekommen, um etwas über Maria
herauszufinden oder um vor der durchgeknallten Person hier einen
Seelenstriptease aufs Parkett zu legen? Er musste dem Theater ein schnelles
Ende machen, bevor er am Ende noch anfing zu glauben, was sie ihm auftischte.
»Und
eine neue Liebe ist noch nicht in Sicht. Habe ich recht? Natürlich habe ich
recht. Ich habe immer recht.« Sie lächelte wieder dieses allwissende Lächeln,
das Max schon zu Beginn ihrer kleinen Unterhaltung auf die Palme
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