Isartod
»Das nächste Bier geht auf mich.«
WORD UP!
Hummel war zu Hause. Ein bisschen angetrunken, aber nur ein bisschen. Nach dem dritten Bier war Schluss, denn er hat sich vorgenommen, noch zu arbeiten. War ja erst elf Uhr. Das Gespräch mit Zankl hatte ihm neuenSchwung gegeben. Und die Idee mit dem Rap. War natürlich ein Scherz, aber so blöd auch nicht. Hip-Hop – eine moderne Variante von Soul. Passte doch zu ihm! Er legte einen Instrumentaltrack von De La Soul auf und stellte sich vor den Flurspiegel. Er griff sich auffordernd in den Schritt und legte los.
Ich lenke meine Schritte
durch Münchens betonierte Mitte.
Das kalte Graue der Stadt
setzt mich, Hummel, nicht schachmatt.
Die Killer, die ein Menschenleben
mal eben so ins Off verschieben,
jag ich durch dunkle Straßen,
führ sie zu ihren Strafen.
Ich schnapp sie, sie ziehen ein
in die Apartments von Stadelheim.
Das Münchner Leben, das ist roh,
doch such ich es nicht anderswo,
denn wenn ich am Flaucher steh,
die Sonne dort im Wasser seh,
oh, du bist doch meine Isar.
Anderswo ist’s sicher miesa.
PENSIONE AMORE
Marienplatz. Nicht Rathaus, Zentrum, Glockenspiel, sondern: Pasing. Wanderer, kommst du nach Pa… Kein Ort, wo du unbedingt hinmusst.
Katrin wischte über die angelaufene Scheibe und sah auf den Platz. Eine Straßenbahn. Das Kreischen der Räder und der Schienen. Katrin zählte die Fahrgäste.
Sie wartete auf Luigi. Sekunden wie Staub, der über der Heizung tanzt. Katrin öffnete das Fenster, ließ die stickige Luft aus dem Zimmer. Sie streckte eine Hand in den Regenflor. Sah ihren Atem. Sie ging ins Bad, zog sich aus. Ihre Unterwäsche war rot und neu. Heute gekauft. Selbst im kalten Neonlicht der Umkleidekabine hatte sie sich sexy gefühlt.
Zigarette auf dem Bett. Ihre Augen wanderten am Stuckband der Decke entlang. Im Schein des mehrflammigen Leuchters Nikotinschwaden. Tausend Horizonte. Das Zimmer war nicht schön. Nicht die Spur romantisch. Bestenfalls neutral. Nach der vorzeitigen Rückkehr ihres Mannes hatten sie sich letzte Woche für diese verschwiegene Pension entschieden. Allemal besser als bei Luigi. Bei ihm sah’s aus wie im Puff. Jedenfalls stellte sie sich so ein Puff vor, ein besseres natürlich. Plüsch, Velours, indirekte Beleuchtung, Wasserbett, Kondome und Gleitgel im Nachttisch. Sie war bestimmt nicht die Einzige. Das Zimmer hier atmete keine Erinnerungen an andere Geliebte, hatte keine anderen Versprechen gehört. Jedenfalls nicht von Luigi. Oder vielleicht doch? Luigi hatte die Pension ausgesucht. Amore in Monaco. Sie hatte keinen Exklusivanspruch auf Luigi. Sie dachte an ihren Mann, ihre Ehe. Graue Menschen, grauer Hintergrund. Sie war unsichtbar, bis Luigi in ihr Leben trat. Luigi sah sie, wie sie sein mochte: schön, sinnlich, sexy. Sie streichelte die Innenseite ihrer Oberschenkel.
Jetzt war es halbzwölf. Luigi würde nicht vor halbzwei bei ihr sein. Egal. Nach einer Woche endlich ein Wiedersehen. Wie hatte sie ihn vermisst, seine zärtlichen Hände. Heute war ihr Mann in Zürich, weg, wie so oft. Sie hatten die ganze Nacht. Sie ging ans Fenster und starrte auf den Pasinger Marienplatz. 19er-Tram. Ein einziger Fahrgast. Der Zimmerboden zitterte, als die Tram anfuhr. Sie fröstelte.
WORD UP!, PART II
Hummel stand inzwischen in Boxershorts und T-Shirt vor dem Spiegel. Vor dem Badspiegel, wo er ein neues Opfer gefunden hatte. Mit der Zahnbürste in der Hand unterstrich er die Bedeutung seiner Worte.
Ich kenn die Strukturen,
ich kenn hier die Uhren,
die ganz anders gehen,
die Zugroaste nie verstehen.
Ich bin am letzten Meter
an meinem Serientäter,
ich bin der coole Kripobrother,
ich ermittel undercover,
gar nicht da und doch dabei,
Das ist ein Job für SUPERFLY.
Beinahe hörte er das Handy nicht. »Yo, Superfly?«, meldete er sich endlich, als er das Handy aus seiner Jacke gefischt hatte.
»Hey, Funksoulbrother, ich bin’s, Zankl. Bist du noch wach? Gelegenheit, den coolen Ermittler noch mal rauszulassen. Wir haben eine neue Leiche. Der Typ ist in alle Einzelteile zerlegt. Ziemlich pervers. Echt grobe Sache. Bei der Allianz-Arena.«
Hummel schluckte. »In Fröttmaning?«
»So ist es. Holst du Mader ab?«
»Mach ich. Und Dosi?«
»Ja, äh, stimmt …«
»Ich ruf sie an.« Hummel rieb sich die Augen. Fröttmaning! Letzte Ausfahrt Fröttmaning. Das konnte kein Zufall sein!
EINZELTEILE
Das Telefon klingelte bei Mader. Er schälte sich aus dem Wohnzimmersessel und hob ab. »Ja, bitte,
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